Kempten/Potsdam – Ab dem Sommer 2018 gilt ein neues Reiserecht. Dann tritt die Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in Deutschland in Kraft.
Der Hintergrund: Immer mehr Menschen buchen keine klassischen Pauschalreisen bei einem Veranstalter mehr, sondern stellen sich ihren Urlaub im Internet selbst zusammen. Der bisherige Rechtsrahmen von 1990 wurde darum angepasst. Das ändert sich konkret:
BESSERER INSOLVENZSCHUTZ: DIE VERBUNDENE REISELEISTUNG
Bisher vermittelten Reisebüros und Online-Portale entweder fertige Pauschalpakete eines Reiseveranstalters oder einzelne Leistungen wie Flug, Hotel und Mietwagen. Die Pauschalreise ist gut abgesichert: Unter anderem bei Mängeln lässt sich nachträglich der Preis mindern. Individualreisende haben diese Rechte so nicht. Neu ist nun eine dritte Kategorie: die vermittelte verbundene Reiseleistung. Sie liegt vor, wenn der Anbieter dem Urlauber mindestens zwei verschiedene Leistungen für die Reise verkauft und dabei verschiedene Rechnungen entstehen. Die einzelne Leistung muss mindestens 25 Prozent des Gesamtpreises ausmachen. «Die einzige Neuerung ist hier, dass der Vermittler in diesem Fall eine eigene Insolvenzabsicherung vorlegen muss», sagt der Reiserechtsexperte Prof. Ernst Führich aus Kempten.
Im Reisebüro ändert sich dadurch nicht viel: Auch bisher konnte das Büro zum Veranstalter mit entsprechender Haftung werden, wenn es mehrere Einzelleistung bündelte. «Das war aber vielen Reisebüros überhaupt nicht bewusst», sagt Sabine Fischer-Volk, Juristin bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. Das neue Recht sorgt hier für mehr Transparenz: Das Reisebüro muss dem Urlauber nun ein Formblatt aushändigen, auf dem klar steht: Du kaufst eine Pauschalreise – oder eine verbundene Reiseleistung.
Transparenz sollen Reisende auch bei Online-Portalen bekommen. Diese verkaufen ebenfalls klassische Pauschalreisen. Meist vermitteln sie aber nur Leistungen anderer, auch wenn die Reise wie ein fertiges Paket aussieht – eine verbundene Reiseleistung. Auch hier muss das Portal nun aktiv darüber informieren. Und es muss eine Insolvenzabsicherung haben, sofern es Kundengelder kassiert.
Informiert ein Portal oder Reisebüro nicht darüber, wenn es nur eine verbundene Reiseleistung verkauft, haftet es automatisch wie ein Veranstalter. Urlaubern stehen dann Ansprüche des Pauschalreiserechts zu: Insolvenzschutz, Rückhol-Garantie nach Deutschland im Krisenfall und die nachträgliche Preisminderung bei Mängeln einer Reise.
Bewertung: Die verbundene Reiseleistung hat in der Branche für viel Wirbel gesorgt, Unternehmen müssen ihre Prozesse umstellen. «Für den Urlaub ändert sich im Prinzip wenig», sagt Führich. Der Kunde bekommt mehr Klarheit, was er bucht. Der bessere Insolvenzschutz wird aber nur dann wichtig, wenn eine Anzahlung durch eine Pleite des Reisebüros oder des Online-Portals bedroht ist.
FERIENHÄUSER UND TAGESREISEN NICHT MEHR ABGESICHERT
Das
Pauschalreiserecht gilt künftig nicht mehr für Ferienwohnungen und -häuser aus dem Angebot von Reiseveranstaltern. Auch Tagesreisen bis 500 Euro sind nicht mehr abgedeckt. Beides war bislang eine Besonderheit des deutschen Reiserechts, das im Zuge der europaweiten Angleichung entfällt.
Bewertung: Eine klare Verschlechterung der rechtlichen Absicherung des Urlaubers, so das Fazit von Verbraucherschützern.
MEHR ZEIT FÜR DIE MÄNGELANZEIGE
Bislang konnten Urlauber maximal bis einen Monat nach der Reise Mängel anzeigen, um Geld vom Veranstalter zurückzubekommen. Künftig ist dies bis zwei Jahre nach der Reise möglich.
Bewertung: Nach Ansicht des Deutschen Reiseverbands (DRV) ist die Änderung unnötig. Das Argument: Wer kann nach zwei Jahren noch beweisen, dass das Essen im Hotel schlecht war? Zudem sollten Urlauber Mängel ohnehin vor Ort dokumentieren, damit sie später die Preisminderung durchkriegen.
GRÖSSERE PREISÄNDERUNGEN NACH BUCHUNG MÖGLICH
Bisher konnte ein Urlauber den Reisevertrag kostenlos kündigen, wenn sich der Preis nach Buchung um fünf Prozent und mehr erhöhte. Künftig ist dies ab acht Prozent möglich. Außerdem durfte bislang der Preis binnen vier Monaten vor Reisebeginn nicht mehr erhöht werden, so der
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Dieser Schutz beginnt künftig erst 20 Tage vor Reisebeginn. Der Veranstalter bekommt zudem mehr Spielraum bei Leistungsänderungen nach der Buchung, etwa dem Austausch des Hotels. Wenn der Reisende nicht aktiv widerspricht, gelten die Änderungen als akzeptiert.
Bewertung: Der vzbv sieht eine Verschlechterung des Schutzniveaus.
(dpa/tmn)