Doha – Die pastellfarbenen Fassaden mit ihren Balkonen strahlen makellos. Über den Kanal spannt sich ein Übergang, der aussieht wie Venedigs Rialto-Brücke in Miniatur. Das Restaurant «Nova Venezia» wirbt mit authentischer italienischer Küche.
Vor einem Café fährt plötzlich ein Rolls Royce vor, dem eine aufwendig geschminkte Frau in schwarzer Abaya und Sonnenbrille entsteigt. Ein erster Hinweis: Wir befinden uns womöglich nicht in Italien.
Das allzu saubere Klein-Venedig liegt auf
The Pearl, einer künstlichen Insel in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar. Das Viertel ist nur ein kleiner Teil dieser Perlenwelt mit Luxushotels, Edel-Boutiquen, Jachthäfen, Strandvillen, Apartmentkomplexen und Gourmet-Restaurants. Bis zu 45.000 Menschen sollen einmal hier an der «arabischen Riviera» leben. Wie in einer Filmkulisse.
Verschwenderischer Reichtum
Das Wüstenland Katar ragt wie ein Daumen in den Persischen Golf, doch die scheinbar unbedeutende Landmasse birgt einen Schatz. Hier wurde 1939 Öl gefunden und später das größte Erdgasfeld der Welt – ein geostrategischer Lottogewinn. Emir Tamim bin Hamad Al Thani hat es nicht nötig, Einkommenssteuer zu verlangen.
Dieses märchenhaft reiche Land also, das nur halb so groß wie Hessen ist, wird 2022 die Fußball-WM ausrichten. Das Großprojekt passt zu einem Staat mit Geltungsdrang, der international überall mitmischt und mit Al Jazeera ein eigenes Medienimperium besitzt.
Die arabischen Nachbarn jedoch verhängten 2017 eine umfassende Blockade. Katar fördere den Terrorismus, lautet der Vorwurf. Geschäfte wurden eingefroren, Flüge eingestellt, Diplomaten ausgewiesen. Auch deshalb bemüht sich Katar zunehmend, Touristen anzulocken. Und natürlich wegen der Fußball-WM.
Die Gastarbeiter als Image-Problem
Das Sportevent ist für das Image quasi Segen und Fluch zugleich. Seit der fragwürdigen WM-Vergabe 2010 stehen die Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter (vor allem aus Indien, Bangladesch und Nepal) in der Kritik. Sollte man in ein Land reisen, das eine Art «moderne Sklaverei» betreibt, wie es immer wieder heißt?
Das Sightseeing-Programm übernimmt die Deutsche Tania Flecht, eine der vielen Expats, die das Land am Laufen halten. Ihr Mann arbeitet bei Qatar Airways, sie als Touristenführerin. Von den rund 2,7 Millionen Einwohnern sind nur rund 300 000 Katarer.
Flecht ist sichtlich bemüht, ein positives Bild Katars zu zeichnen und angreifbare Formulierungen zu vermeiden. Das Staatsoberhaupt nennt sie «unseren Emir». Für den Aufbau des Landes hätten die Katarer «Hilfe vom Subkontinent» bekommen. Zu den Gastarbeitern bemerkt sie einmal beiläufig: «Die haben alle ein Dach über dem Kopf.» Zur «züchtigen Kleidung» der einheimischen Frauen: «Die machen das freiwillig.» Von den Eltern arrangierte Ehen? «Das ist einfach eine andere Kultur, das verstehen wir nicht.»
Der Schluss liegt nahe, dass es darum nicht unbedingt gehen muss bei einer Katar-Reise. Beworben werden spektakuläre Museen und Architektur-Juwele, die Malls, der Souk, die Wüste.
Ein Museum wie eine Wüstenkristall
Im März 2019 wurde das neue Nationalmuseum eröffnet. Das Gebäude des Stararchitekten Jean Nouvel, der schon den Louvre in Abu Dhabi entwarf, ist einer Sandrose nachempfunden. Kein Fenster gleicht dem anderen. Kostenpunkt: egal. Weitläufige Innenräume, riesige Leinwände, Hunderte teure Beamer. Technisch alles auf Top-Niveau. Angeblich lagen die Baukosten bei 400 Millionen Euro.
Besucher lernen zum Beispiel etwas über die Geschichte der Region vor dem Petro-Boom. Perlenfischer gingen bis zu 50 Mal am Tag auf Tauchgang, ohne Brille. Viele erblindeten.
Schon seit 2008 lockt das Museum für Islamische Kunst, entworfen von I.M. Pei. Dort gibt es unter anderem bildschöne Teppiche, Keramiken, historische Schriftstücke und Waffen aus der gesamten islamischen Welt zu sehen. Das hochwertige Vitrinenglas ist derart spiegellos, dass man es kaum sieht und sich leicht den Kopf stößt.
Education City: Katars «Vision 2030»
Kultur und Bildung, das sind zwei Säulen der «Vision 2030», die Katar vor einigen Jahren ausgerufen hat. Nirgendwo lässt sich das so eindrücklich beobachten wie in der Education City. Ein echter Blickfang ist die Nationalbibliothek mit mehr als einer Million Büchern. Historisch wertvolle Werke, die man direkt vor Ort studieren kann, befinden sich in einem offenen Untergeschoss aus iranischem Marmor hinter Glas. Die Idee: So schaut man vom Erdgeschoss aus wie in eine archäologische Stätte hinein.
Vor dem Sidra Medical and Research Center, einer der teuersten Kliniken der Welt, ziehen 14 tonnenschwere Bronzeskulpturen alle Blicke auf sich. Wieder steckt ein großer Name dahinter: Damien Hirst. «
The Miraculous Journey» zeigt explizit die Phasen einer Schwangerschaft von der Befruchtung der Eizelle bis zum neugeborenen Baby. Als das Kunstwerk 2013 zum ersten Mal enthüllt wurde, gab es einen Social-Media-Aufschrei. Man verhüllte die Figuren zunächst wieder, angeblich um sie vor Bauarbeiten zu schützen.
Weniger sehenswert ist das Geschäftsviertel West Bay mit Ministerien, Banken und Bürotürmen. Aus touristischer Sicht sind die Wolkenkratzer relevant, weil sie die Skyline Dohas bilden.
Auf einen Schoko-Crepe in den Souk
Wer in Katar das Leben außerhalb der Hotels sucht, sollte sich abends ins Händlerviertel auf den Souk Waqif samt Vogelmarkt begeben. Man spaziert durch enge Gassen, vorbei an gut ausgeleuchteten Geschäften. Neben Kleidung und Schmuck bekommt man etwa Werkzeuge, Elektronik und Spielzeug. Touristen suchen hier hübsche Restaurants auf. Auf einem Platz werden an Mini-Ständen Schoko-Crepes zubereitet.
Der Souk liegt gleich bei der Corniche. Im Hafen liegen unzählige Dhau-Boote vertaut, die sich mieten lassen. Die alten Schiffe vor der Skyline – das viel beschworene Nebeneinander von «Tradition und Moderne». Wobei die Tradition in Katar eher in Museen ausgestellt wird – oder sich hinter verschlossenen Türen vollzieht.
Mit welchen Eindrücken kehrt man von einer Katar-Reise nach Hause? Das Land bleibt seltsam ungreifbar. Das hängt auch damit zusammen, dass man als Tourist fast nie mit Einheimischen ins Gespräch kommt. Nein, Katarer als Freunde habe sie nicht, erzählt Tania Flecht, die in einer Expat-Nachbarschaft lebt. «Die wohnen alle woanders.»
Katar
Anreise: Die nationale Fluglinie Qatar Airways fliegt von Berlin, München und Frankfurt nonstop nach Doha.
Klima und Reisezeit: In Katar herrscht ein heißes Wüstenklima. Am angenehmsten sind die Monate von Oktober bis April.
Einreise: Deutsche Reisende brauchen einen Reisepass, der bei Einreise noch mindestens sechs Monate gültig ist.
Übernachtung: Fast alle Hotels befinden sich in Doha. Die Unterkünfte haben meist einen gehobenen oder luxuriösen Standard. Die meisten großen Ketten sind in Katar vertreten.
Geld: Die Landeswährung ist der Katar-Riyal, der an den US-Dollar gekoppelt ist. 1 Euro sind 4 Riyal (Dezember 2019). Die Zahlung mit einer Kreditkarte ist fast überall möglich.
Informationen: Qatar National Tourism Council, Bavariaring 38, 80336 München, Tel.: 089/689 06 38 24, E-Mail: germany-marketing@visitqatar.qa
(dpa/tmn)