Tourengeher müssen den Berg und sich selbst kennen

München – Viele Wintersportler starten ihre Skitouren entlang der Pisten, andere im freien Gelände – und nach einem anstrengenden Aufstieg belohnen sie sich mit einer Abfahrt. Die Zahl der Tourengeherinnen und Tourengeher hat sich nach Angaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) seit dem Jahr 2005 mehr als verdoppelt.

Die gute Nachricht ist: Entgegen der Annahme, dass die Menge der Geländegänger auch die Zahl der Unfälle steigen lässt, sinkt diese eher, wie Wolfgang Wabel vom
DAV ausführt. Dennoch sind Skitouren speziell abseits der Pisten immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Darum gilt es, immer gut vorbereitet loszuziehen.

Die richtige Ausrüstung

Am Ausrüstungsangebot dürfte eine Tour nicht scheitern, das hat die Sportartikelmesse Ispo in München erst kürzlich wieder gezeigt. Ein Trend sind Sender, die Stürze automatisch erkennen oder Alarm schlagen, sobald sich ihre Trägerin oder ihr Träger aus einem vorab mit sogenannten Geofences festgelegten Bereich entfernt.

Ein anderes Hilfsmittel sind Rucksäcke mit eingebauten Luftkissen, die sich bei einem Lawinenabgang blitzschnell aufpusten und damit verhindern sollen, dass man unter die Schneemassen gerät.

Dazu kommt die absolute Grundausstattung für jeden, der im alpinen Gelände unterwegs ist: Piepser, Sonde und Schaufel – um im Ernstfall andere retten zu können, die verschüttet wurden. Oder um selbst gefunden werden zu können, wenn man von einer Lawine begraben wurde.

Auf den Ernstfall gefasst sein

Damit ist es aber nicht getan. Zur Ausrüstung gehöre ein entsprechender Kurs, wie diese zu bedienen ist, betont Andreas König vom Deutschen Skiverband (DSV). Man muss seine Fähigkeiten außerdem realistisch bewerten mit Blick auf schwere Aufstiege und Abfahrten. Stürze sind DAV-Zahlen zufolge die Unfallursache Nummer eins.

Auch wenn Hersteller ihre Produkte als Sicherheitsausrüstung vermarkten: In Sicherheit wiegen sollte einen das nicht, betont Olaf Perwitzschky vom Magazin «Alpin». Das Wort Notfallausrüstung sei der bessere Begriff – weil sie nicht an sich sicher sei, sondern im Notfall retten soll. «Jeder sollte den Ernstfall gedanklich und praktisch durchspielen», betont er. «Und immer wieder üben.»

Nach einem Lawinenabgang bleibt nicht viel Zeit, um Verschüttete zu retten. «In 15 Minuten muss man sie finden.» Solange sind die Überlebenschancen noch gut, danach sinken sie rapide.

Ein Rat für den Ernstfall: Bei der Grobsuche schnell sein, bei der Feinsuche lieber etwas langsamer vorgehen, um die Stelle zum Graben präzise zu finden. Sind mehrere Personen Teil der Gruppe, wählt einer davon den Notruf, während die anderen suchen. Ist man nur zu zweit unterwegs, rät Perwitzschky dagegen, lieber als erstes zu suchen.

Stabile Sonden und Drei-Antennen-Piepser

Auch für das Material gibt der Experte konkrete Empfehlungen. Der Piepser sollte drei Antennen haben, die Schaufel aus solidem Metall sein und über einen ausziehbaren Griff verfügen. Sonden, mit denen man auf der Suche nach einem Körper in den Schnee sticht, sind lieber nicht zu flexibel. «Am besten bestehen sie aus Carbon. Diese wiegen wenig und sind dennoch recht stabil», sagt Perwitzschky.

Zur Vorbereitung einer Skitour gehört neben der Routenplanung auch, den Lawinenwarnbericht zu lesen. Außerdem sollten der Ladezustand und die Funktion des Piepsers überprüft werden. Immer mehr Skigebiete bieten dafür spezielle LVS-Checkpoints. Ist man in einer Gruppe unterwegs, lässt sich die Sendefunktion untereinander kontrollieren.

Pistentouren mit überschaubarem Risiko

Viele Tourengeherinnen und Tourengeher wollen sich den Gefahren aber gar nicht erst aussetzen und gehen im Bereich einer Piste den Berg hinauf. Hier ist die Einstiegsschwelle gering. Zugleich stellt es die Skigebiete vor Herausforderungen: Abfahrer und Aufsteiger können sich gefährlich nahe kommen. Darum nennt der DAV konkrete
Regeln für Pistentouren: nicht nebeneinander aufsteigen, sondern hintereinander. Und Pisten nur an übersichtlichen Stellen mit genug Abstand queren.

In den vergangenen 15 Jahren habe sich die Zahl der Tourengeher auf rund 600 000 mehr als verdoppelt, sagt Wolfgang Wabel. Vor allem entlang der Pisten sind es mehr geworden. Für Puristen ist das keine Option. «Der eingefleischte Skitourengeher kriegt Pickel, wenn er über die Kunstschneepiste herunterfahren muss», sagt Perwitzschky. Das sei ähnlich wie Kletterhallen zu nutzen statt Berge zu besteigen.


(dpa/tmn)

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