Tel Aviv – Weiße Fassade, Flachdach, langgestreckte Balkone: Das Max-Liebling-Haus im Zentrum Tel Avivs gehört zur «Weißen Stadt» und damit wie rund 3700 weitere Gebäude zum Unesco-Welterbe.
In dem dreigeschossigen Haus eröffnet an diesem Donnerstag (19. September) das israelisch-deutsche «White City Center», Zentrum für Denkmalschutz und Architektur – im Jahr des 100. Geburtstages der deutschen Architektur-, Kunst- und Design-Schule Bauhaus.
Rund 800 Gebäude des internationalen Stils in Tel Aviv
Das Liebling-Haus wurde 1936 nach Entwürfen des Architekten Dov Karmi gebaut. Es ist im internationalen Stil gebaut, zu dem auch das Bauhaus gehört. Im 1909 gegründeten Tel Aviv befindet sich die größte Ansammlung von Gebäuden des internationalen Stils weltweit, rund 800. Die Häuser entstanden ab den 1930er Jahren, als jüdische Architekten vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in das damalige Palästina flohen.
Ein Jahr lang wurde das Liebling-Haus stilgerecht renoviert, wie die Programmdirektorin des «White City Centers», Sharon Golan Yaron, sagt. Bei mehreren Workshops hätten insgesamt rund 90 Handwerker und Lehrlinge aus Deutschland, wie Schreiner, Verputzer und Experten für Terrazzo-Böden, gemeinsam mit Israelis an dem Gebäude gearbeitet. «Das ist sehr wichtig, weil man fast sagen kann, dass es ein deutsches Erbe ist, was sich hier weiterentwickelt hat», sagt die deutsch-israelische Architektin.
Sie verweist bei der Weiterentwicklung des internationalen Stils in Tel Aviv auf das Klima: große Balkone, Flachdächer, ein ausgetüfteltes Belüftungssystem, um die Meeresbrise durch die Gebäude zu leiten, gedeckte Wandfarben innen, um die grelle Mittelmeersonne abzuschwächen.
Ausstellung und Café im Liebling-Haus
Künftig wird es im Liebling-Haus eine Ausstellung geben, die über den internationalen Stil in Tel Aviv informiert. Dazu kommen unter anderem ein Café, eine Galerie für zeitgenössische Interpretationen von Stadt und ein Studio für Kinder. «Das Liebling-Haus ist ein One-Stop-Shop, ein Gebäude, in dem man eigentlich alle Aspekte der Weißen Stadt besprechen sollte, es ist eine Plattform für Dialoge», sagt Golan Yaron über das Konzept.
Bereits seit 2015 wurden die verwendeten Baustoffe im Liebling-Haus untersucht und Seminare angeboten, Schulklassen zum Thema Architektur unterrichtet, ein Audio-Guide erklärte das Gebäude und präsentierte Geschichten der früheren Hausbewohner. Im vergangenen Jahr begann die rund 2,3 Millionen Euro teure Renovierung des Hauses, finanziert von der Stadt als Eigentümerin, wie Golan Yaron sagt.
Ronny Schüler, Architektur-Historiker an der Bauhaus-Universität in Weimar, betont, dass es sich in Tel Aviv nicht – wie oft behauptet – um eine große Ansammlung von Bauhausbauten handelt. Dies sei eine Art Werbespruch etwa für den Tourismus, aber wissenschaftlich nicht haltbar, sagt Schüler. Nur rund ein Dutzend der Häuser seien wirklich von Schülern des Bauhauses aus Deutschland entworfen worden.
Bürger identifizieren sich mit der Architektur
Allerdings hält er die Unesco-Welterbe-Auszeichnung für absolut gerechtfertigt. Entscheidend sei dabei nicht die Qualität einzelner Häuser, sondern die schlichte Masse, sagt er. «Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt, dass sich ein ganzes Volk mit dieser Architektur identifiziert. Im damaligen Palästina hat das Identität gestiftet, den Juden das Gefühl gegeben, dass sie hier wirklich eine neue Gesellschaft aufbauen.»
Golan Yaron betont, dass es im
«White City Center» auch stark um die Bürger der Stadt geht. «Wir wollen, dass man auch in die Zukunft schaut und nicht nur in die Geschichte, das Interessante an der Weißen Stadt – oder Tel Aviv – ist, dass wir Denkmalschutz Hand in Hand mit Stadtentwicklung machen.» Die von der Unesco zum Welterbe erklärten Häuser befänden sich fast alle in Privatbesitz. Schätzungsweise rund zwei Drittel der Häuser seien renovierungsbedürftig. Viele Eigentümer finanzieren eine Sanierung durch die Aufstockung ihres Hauses um ein oder zwei Stockwerke.
Das Bundesbauministerium unterstützt das Programm des Zentrums von 2014 bis 2025 mit insgesamt rund drei Millionen Euro. Staatssekretär Marco Wanderwitz sagt: «Es geht um unsere gemeinsame historische und baukulturelle Vergangenheit, die sich auch in der Weißen Stadt Tel Aviv manifestiert.» Die Weiße Stadt habe eine herausragende architekturgeschichtliche Bedeutung. Einige der vertriebenen Architekten hätten am Bauhaus studiert. «Das Projekt soll dazu beitragen, einen angemessenen Umgang für diesen einzigartigen Bestand zu finden.»
(dpa)