Münster – Diese Krimitour ist nur etwas für hartgesottene «Tatort»-Fans, so viel scheint gleich zu Beginn klar. Es ist Samstagmorgen, der Wind pfeift über den Innenhof des Münsteraner Rathauses. Eisige Kälte, grauer Himmel. Trotzdem kommen mehr als 20 Leute.
Sie haben die «Tatort»-Tour bei
K3 Stadtführungen gebucht. Zwei Stunden lang soll es zu den Drehorten des beliebten Sonntag-Krimis gehen – ein zweifelhaftes Vergnügen bei diesem Wetter. Doch auch dank eines gut gelaunten Stadtführers werden alle bis zum Schluss durchhalten – und das liegt nicht nur an den vielen Hintergrundinfos zum Münsteraner «Tatort».
Seit mittlerweile 15 Jahren ermitteln Kommissar Thiel und Prof. Boerne in Münster. Mit riesigem Erfolg: Schon 14 Millionen Zuschauer sahen eine Folge – kaum ein anderes Team erreicht regelmäßig solche Traumquoten. Auch der «Tatort» hat die Fahrrad- und Studentenstadt im Norden Nordrhein-Westfalens für Touristen attraktiv gemacht.
Die Veranstalter von Stadtführungen greifen den Krimi dankbar auf. Mehrere bieten inzwischen
Krimitouren in Münster an – manche mixen auch den «Tatort» mit «Wilsberg», dem zweiten Krimi, der in der Stadt zu Hause ist. Und das Interesse ist groß: Laut Julia Hülsmann von Stattreisen Münster haben bereits rund 36 000 Menschen an deren «Tatort»-Tour teilgenommen.
Eine Kriminaltour trüge den Namen kaum zu Recht, wenn zu Beginn kein Rätsel stünde. Prof. Boerne sei verschwunden, erklärt Stadtführer Georg Naumann von K3, nachdem er ein paar einführende Infos zur Stadt erzählt hat. Dazu gehören Klassiker: In Münster gibt es mit 500 000 Fahrrädern fast doppelt so viele Räder wie Einwohner. Dann teilt Naumann Zettel an alle aus – 18 Fragen sind darauf notiert. Gelingt es, sie zu beantworten, ist das Rätsel gelöst und Prof. Boerne gefunden, verspricht Naumann. Und so geht es dann los zu einer Schnitzeljagd kreuz und quer durch die Stadt.
Das Gute an der «Tatort»-Tour ist: Sie ist nicht nur etwas für eingefleischte Fans des schnöseligen Prof. Boerne (Jan Josef Liefers), Kollegin Alberich (Christine Urspruch), Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seinem kiffenden «Vadder» (Claus D. Clausnitzer). Naumann schafft es, auch Teilnehmer mit Details zur Stadtgeschichte zu unterhalten, die mit dem Krimi nicht vertraut sind. Und selbst für Münsteraner dürfte Neues dabei sein.
Das Prinzip der Schnitzeljagd ist immer gleich: Naumann hält ein Setbild aus einer «Tatort»-Folge hoch, in der die Charaktere und im Hintergrund die Stadt zu sehen sind. Letzteres kommt tatsächlich seltener vor als viele zunächst denken. Denn der größere Teil des Münsteraner «Tatorts» wird in Köln in Fernsehstudios gedreht. So sind zum Beispiel Boernes und Thiels Wohnung nicht in Münster zu finden. Dann folgt eine Frage zum Setbild. Und die zu beantworten, ist oft überraschend und macht ziemlich viel Spaß.
Beispiel: Auf einem Foto ist Kommissar Thiel auf dem Prinzipalmarkt zu sehen. «Welches Tier ist unter Thiels Füßen zu finden?» lautet die dazugehörige Frage auf dem Rätselzettel. Minutenlang sucht die Gruppe in der Folge das Kopfsteinpflaster ab. Und tatsächlich, so mancher Münsteraner ist wohl schon Hunderte Mal mit dem Fahrrad unwissend darüber gefahren: Im Kopfsteinpflaster steckt statt eines Steins ein kleines, bronzefarbenes Quadrat mit einer Taube drauf, das an die Wiedertäufer erinnern soll. Die Wiedertäufer regierten Münster vom Februar 1534 bis Juni 1535 und waren eine radikale Abspaltung der Reformationsbewegung – wieder eine Frage auf dem Zettel gelöst.
Wer sich von Naumann lustige Anekdoten zum Münsteraner «Tatort» erhofft, kommt bei der Tour natürlich auch auf seine Kosten. Da sind zum Beispiel auf einem Setbild neben Boerne und Thiel zwei Polizisten zu sehen – in der Folge damals noch in grüner Uniform. «Die beiden Polizisten gibt es wirklich», erzählt Naumann. Hin und wieder habe ein Stadtführer Glück – und während man das Setfoto hochhält, kommen die beiden zufällig auf Streife wieder vorbei. Dann erzählten sie gerne noch einmal etwas von den Dreharbeiten. Dass der Krimi bei ihnen zu Hause ist, macht die Münsteraner durchaus stolz.
Nach zwei Stunden Führung ist das Rätsel gelöst. Wo Prof. Boerne steckte und ob ihm etwas zugestoßen ist, wird jedoch nicht verraten. Ein Fakt der Tour bleibt hängen: Zwei Münsteraner «Tatort»-Folgen pro Jahr machen zwei Leichen. «Das ist mehr, als es in der Realität gibt», erzählt Naumann. 2017 war es zum Beispiel nur ein Toter.
(dpa/tmn)