Cali – Luz Aydé Moncayo klatscht in die Hände. «1-2-3, 5-6-7. Tritt, zurück und schließe», befiehlt sie und gibt an der Spiegelwand Schritte und Takt vor. Schon bald rinnt den Tanzschülern der Schweiß von der Stirn.
Die Motivation ist groß. Schließlich sind einige Kursteilnehmer Tausende Kilometer weit gereist, nur um in Cali Salsa tanzen zu lernen oder ihren Stil zu verbessern.
Die 2,4 Millionen Einwohner zählende Metropole im Südwesten von Kolumbien ist dafür ein zunehmend beliebtes Ziel. Rund 130 Tanzschulen gibt es laut der Kulturverwaltung inzwischen. «La capital de la salsa», die Hauptstadt der Salsa, nennt Cali sich selbst.
Als Tanz gibt es verschiedene Stilrichtungen der Salsa – kubanische, puerto-ricanische, kolumbianische sowie Varianten aus New York und Los Angeles. «Was die Salsa Kolumbiens auszeichnet, sind die sehr schnellen Bewegungen von Füßen und Beinen», erklärt Profitänzer Juan Ángel Ramírez. So verzichtet der «Cali Style» auf Pausen, stattdessen wird auf jeder Zählzeit ein Schritt gemacht.
Ihr Können zeigen Tänzer jedes Jahr auf der
Feria de Cali, einem Volksfest, das vom 25. bis 30. Dezember stattfindet. Höhepunkt ist das Salsódromo, eine
Parade der besten Salsa-Schulen. An den sechs Tagen finden auch Umzüge mit traditionellen Kostümen und jede Menge Konzerte statt. Die meisten Veranstaltungen sind gratis.
Calis harte Vergangenheit
Kolumbiens nach Bogotá und Medellín bevölkerungsreichste Stadt hat schwere Zeiten hinter sich. Vor rund 25 Jahren machte der Drogenkrieg zwischen dem Cali-Kartell und dem Medellín-Kartell Schlagzeilen. Seit deren Zerschlagung in den 1990ern Jahren und dem Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla 2016 hat die
Sicherheitslage sich auch in Cali stark verbessert. Obwohl Kriminalität in den Großstädten weiter ein Problem ist, haben Wirtschaftswachstum und eine gesunkene Armutsquote dazu beigetragen, Kolumbiens Image deutlich zu verbessern.
Für die stolzen Caleños ist ihre Stadt, die von einer 26 Meter hohen Christus-Statue bewacht wird, sowieso «la sucursal del cielo», die Filiale des Himmels. So wird sie auch im Lied «Cali pachanguero» gepriesen, mit dem die Salsa-Band
Grupo Niche der Metropole ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. «Cali es Cali, lo demás es loma» (Cali ist Cali, alles andere sind Hügel) heißt es da selbstbewusst.
Auch dem 2012 verstorbenen Bandgründer und Sänger Jairo Varela ist ein Monument gewidmet: ein überdimensionale Posaune, die vor einem nach Varela benannten Salsa-Museum steht. Von dort lassen sich gut einige der Sehenswürdigkeiten der Stadt rund um den Bulevar del Río erkunden, einer aufwendig sanierten Flaniermeile am Fluss Cali.
Eine Stadt, die man sich erschließen muss
Eine Liebe auf den ersten Blick ist Cali nicht. Sie schafft es aber, die Besucher in ihren Bann zu ziehen. Für die einen liegt es am pulsierenden Nachtleben, für andere an der Lebensfreude der Bewohner.
«Die Menschen sind einfach authentisch», sagt Marlene Reißing, eine Studentin aus Berlin, die zum Salsa-Lernen nach Cali gereist ist. «Sie sind aufmerksam, interessiert und freuen sich, dass du da bist.»
Ein Hauch Karibik
Dass die Salsa ausgerechnet in Cali eine so große Rolle spielt, mag zunächst verwundern. In rund 1000 Metern Höhe im Tal des Cauca-Flusses gelegen, gehört die 1536 vom spanischen Eroberer Sebastián de Belalcázar gegründete Stadt zur gebirgigen
Anden-Region. Dennoch muten die Atmosphäre der Stadt und ihre gastfreundlichen wie feierlustigen Einwohner zuweilen karibisch an.
Das hat historische Gründe, wie der Anthropologe und Salsa-Experte Alejandro Ulloa erklärt: Wie auch in Teilen der Karibik gab es im Cauca-Tal große
Zuckerrohr-, Kakao- und Tabakplantagen, auf denen die spanischen Kolonialherren Sklaven aus Afrika schuften ließen. Das brachte die afrikanische Kultur in die Region. Hinzu kam im 20. Jahrhundert eine starke Migrationsbewegung von der nahe gelegenen Pazifikküste. Heute gilt Cali im Land als die Großstadt mit dem größten Anteil afrokolumbianischer Bevölkerung.
Die Salsa war anfangs eher bei der ärmeren Bevölkerung beliebt. Doch heute wirkt sie wie ein einendes gesellschaftliches Element. Ob im Taxi, im Supermarkt oder im Park: Salsa wird überall gehört – und bei jeder Gelegenheit auch getanzt. «Du wächst mit der Salsa auf, sie ist Teil deines Lebens und gehört zum Klang der Stadt dazu», sagt Claudia Gómez, eine aus Cali stammende Anwältin, die überaus gerne Tanzen geht. «Azotar baldosa» nennen das die Caleños. Es bedeutet auf Spanisch so viel wie «den Boden prügeln».
Revuen und Salsa-Clubs
Wie spektakulär der Cali Style aussehen kann, erleben Besucher auch in der Revue
«Delirio», die einmal im Monat in einem riesigen Zirkuszelt außerhalb der Stadt gezeigt wird. In der mehrstündigen Show treten bis zu 200 professionelle Tänzer und Artisten auf. Etwas preiswerter und ebenfalls farbenprächtig ist das
«El Mulato Cabaret» in der Innenstadt. Sonntags lädt das Theater zum Tanzen ein.
Gelegenheit dazu geben auch die zahlreichen Salsa-Clubs der Stadt. Salsa-Schüler sind dort auch oft anzutreffen. Berührungsängste mit den Caleños müssen sie nicht haben, diese geben gerne Tipps und zeigen sich geduldig, wenn es noch nicht so klappt. Es sei alles bloß eine Sache der Übung, versichert Tanzlehrerin
Luz Aydé. Ihr Motto lautet: «Entran como troncos y salen como trompos». Will heißen: Selbst wenn sie anfangs so ungelenk wie ein Baumstamm daherkommen, irgendwann sind ihre Schüler auf der Piste so flink wie ein Kreisel.
Anreise: Airlines wie Iberia, Avianca, Lufthansa, KLM, Air France und British Airways fliegen – meist mit Umsteigen in Bogotá – Cali an. Für die Einreise ist ein noch sechs Monate gültiger Reisepass nötig.
Sicherheit: Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Die Kriminalitätsrate ist aber weiter hoch. Touristen sollten sichere Bestell-Taxis und Fahrdienste nutzen.
Informationen: Fremdenverkehrsamt Kolumbien, Fürstenbergerstraße 223, 60323 Frankfurt (Tel.: 069/1302-3832, E-Mail: frankfurt@procolombia.co, www.colombia.travel).
(dpa/tmn)