Eine von vielen Entstehungsgeschichten des Cocktails erzählt von Hahnenkämpfen, von billigem Rum, leichten Mädchen, Blut, Schweiß und Durst: Der Besitzer des siegreichen Kämpfers durfte dem toten Hahn die Schwanzfedern ausreißen; häufig garnierte er seinen Drink damit. Das ist eine brutale, archaische Szene, man denkt an unrasierte Männer in Unterhemden, an kreischende Kampfhähne, die sich im Staub eines schwülen Hinterhofs die Augen aushacken. Irgendwann ging man dazu über, alle Après-Hahnenkampf-Getränke als „cock-tails“ (Hahnenschwänze) zu bezeichnen. Natürlich handelte es sich dabei immer noch um den gleichen, schlechten Rum mit Rohrzuckersirup. Nett und blöd, wie wahre Geschichten eben sein sollten.
Wer dagegen heute einen Cocktail bestellt, darf sich nicht wundern über Kreationen, die geschmückter sind als Boy George, bizarrer als eine Lavalampe und bunter als mancher Haschtraum unserer Großeltern.
Erst kürzlich wurde mir, ich hatte einen schlichten Long Island Ice Tea geordert, eine Kreation dargebracht, – man hätte meinen können, ein Alien-Embryo im Muttersaft, die sanft glimmende Nabelschnur inklusive. Dass es sich bloß um den letzten Schrei, blinkende Strohhalme, handelte, wurde mir erst klar, als ich versuchte, das gruselige Ding mit der Gabel raus zu fischen.
Ich bin ja kein militanter Gegner ästhetisch angerichteter Getränke (oder Speisen), aber ich denke, im Fall der Cocktails wurde die Grenze zum Puppentheater vor zwanzig Jahren überschritten.
Und ich wünsche mir ein Lokal, dessen Long Island mich nicht an „Eine unheimliche Begegnung der dritten Art“ erinnert. Das alberne Pappschirmchen kann ja meinetwegen bleiben.
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