Für Mitteleuropäer wie uns, Urenkel imperialistischer Rohstoffdiebe, ist ein Urlaub auf Nauru eigentlich eine moralische Verpflichtung.
Der winzige Inselstaat liegt im westlichen Pazifik zwischen Mikronesien, Papua-Neuguinea, Tuvalu und den Salomonen. Am Strand entlang kann man die demokratische Republik an einem Tag zu Fuß bequem umrunden. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 27,5°, und die Nauruer laufen am liebsten in kurzen Hosen und bunten Hemden herum. Da sie kaum selbst etwas anbauen, setzt sich das Nahrungsangebot aus den verfügbaren Konserven und Fisch zusammen.
Das Festland von Nauru ist eigentlich der Gipfel eines vorzeitlichen, erloschenen Vulkans. Saurier, Riesenvögel und Möwen flogen darüber hinweg; meist, ohne das idyllische Atoll eines Blicks zu würdigen. Stattdessen entleerten sie ihren Darm. Und zwar über Jahrmillionen. Der Kot lagerte sich ab, schichtweise, und durchlief eine Vielzahl aufregender chemischer Reaktionen, bis er zum Schluss die Inseloberfläche als meterdicke Phosphatschicht bedeckte. Für eine kleine Ewigkeit wusste niemand davon.
1888 hatte Deutschland, der imperialistische Nachzügler des Jahrhunderts, Nauru kurzerhand annektiert. 1900 wurde das Phosphat offiziell entdeckt, der industrielle Abbau begann.
Die Nauruer sahen herzlich wenig vom Profit: Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Insel an die Engländer, und zuletzt an Australien, somit war Nauru nurmehr die Kolonie einer Kolonie.
Als man 1968 die Unabhängigkeit von Australien erlangte, beschloss der Oberhäuptling Hammer DeRoburt, dass der florierende Phosphatabbau fortan verstaatlicht sei. Der kleine Staat Nauru baute sein Phosphat selbst ab, und Phosphat ist teuer: Bis in die Neunziger des vorigen Jahrhunderts hatte Nauru das zweithöchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Der Abbau des Rohstoffs machte rund 80% des Bruttoinlandsproduktes aus.
Die Nauruer waren auf einmal reich, denn sie waren jetzt die Herren der Phosphatfelder. Endlich wollten sie vom Rohstoffreichtum ihrer Heimat profitieren.
Der Staat verzichtete auf Steuern oder Gebühren, das Gesundheitssystem war kostenlos. Obwohl die Insel nur bescheidene 29 Kliometer Asphaltstraße gestattete, besaß jeder Nauruer 2-3 Autos und ein Motorboot. Man feierte gerne und oft, man importierte fantastische Sachen. Gelegentlich flogen die Nauruer auch zum Einkaufen nach Australien. Nauru leistete sich eine Zweigstelle der „University of the South Pacific“ und baute ein Büro-Hochhaus in Melbourne, den „Nauru-Tower“. Einmal finanzierte die Regierung ein Musical in London, das leider floppte.
Der Phosphatabbau war so einträglich, dass man nicht mal regelmäßig arbeiten musste – ein paar Stunden am Tag reichten. Nach wie vor wurden Nahrungsmittel importiert, zumeist Konserven. Die Einwohner von Nauru hatten bald einen durchschnittlichen BMI (Body-Mass-Index) von 40; mehr als 25 wird als übergewichtig eingestuft; etwa 35% der erwachsenen Bevölkerung leiden heute an Diabetes.
Doch Mitte der Neunziger waren die Phosphatvorkommen erschöpft und innerhalb weniger Monate war Nauru drastisch verarmt. Die Phosphatminen waren verlassen, die Asphaltstraßen platzten auf, die Autos standen mit leeren Tanks am Strand herum. Die Fluglinie, „Air Nauru“, ging pleite – zwischen Dezember 2005 und September 2006 war der Inselstaat mehr oder weniger von der Außenwelt abgeschnitten. Inzwischen fliegt, mit taiwanischer Hilfe, „Our Airline“.
Der Staat machte keine Einnahmen mehr. In der Not quartierte man australische Flüchtlinge im Gefängnis von Nauru ein. Die Unterhaltszahlungen Australiens für die Gefangenen sind bislang die einzige Einnahme des Staates. Auch als Lager für australischen Atommüll war die Insel im Gespräch, aber der Gedanke wurde wieder verworfen.
Man versucht inzwischen, die Wirtschaft auf Tourismus und Fischfang umzustellen, vor allem letzteres nur mit mittelmäßigem Erfolg. Zwar hat man Island um Hilfe bei der Entwicklung einer Fischfangindustrie angefragt und viele Nauruer angeln schon seit Jahren. Bloß nicht den ganzen Tag.
Was den Tourismus betrifft, sieht es schon besser aus: Die kleine Insel ist ein richtiger Geheimtipp geworden, bietet sie doch malerische Strände und ein warmes, zu jeder Jahreszeit angenehmes Klima. Schwimmen gehen sollte man freilich nicht, denn gelegentlich greift die Portugiesische Galeere an, und die giftigen Arme dieser Qualle können bis zu 30 Meter lang sein.
Doch neben der maroden Wirtschaft und der ungenügenden Motivation sehen sich die 13.000 Einwohner Naurus neuerdings mit einem weit existenzielleren Problem konfrontiert: Sollte der Meeresspiegel weiter ansteigen, könnte der kleine Inselstaat demnächst in den Fluten versinken.
Spätestens jetzt sollten wir, schon des schlechten Gewissens wegen, einen Flug buchen -natürlich nur einen, der CO2-neutral ist!
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