Libertalia

In seiner „General History of the Pyrates“ erwähnt Charles Johnson 1728 die Piratenrepublik „Libertalia“: Von Seeräubern unter der Führung eines gewissen Kapitän Misson im Norden Madagaskars gegründet, handele es sich um die früheste demokratische Republik der Neuzeit. Wenige Jahrzehnte nach seiner Gründung Anfang des 18ten Jahrhunderts ging der Freibeuterstaat unter; Johnson berichtet von seiner grundlosen Zerstörung durch Ureinwohner der Insel.

Viele Hinweise deuten darauf hin, dass es Libertalia nie gegeben hat, ebenso wenig Kapitän Misson, und auch die Existenz des Autors Charles Johnson scheint zweifelhaft – in regelmäßigen Abständen wird die Mutmaßung wiederholt, es handele sich um ein Pseudonym Daniel Defoes. Demnach sei die Libertalia-Geschichte ein schön ausstaffierter politischer Essay im Stil von Defoes „Robinson Crusoe“ – eine gesellschaftspolitische Utopie, die die Entwicklung der modernen Demokratie vorwegnahm.

Doch Misson (oder Johnson – oder Defoe) ist in seiner Geschichte des Piratenstaats immerhin akkurat genug, um dessen Lage präzise anzugeben: Im Bereich der „Trois Baies“ (Drei Buchten), südöstlich von Afrik, im Norden Madagaskars, hätten die Piraten ihre Republik Anfang des 18ten Jahrhunderts errichtet. Das Gemeinwesen ruhte auf drei unantastbaren Grundrechten: Leben, Freiheit, Nahrung. Damit wurden, mehr oder weniger, die Ideale der großen Revolution, die Frankreich knapp hundert Jahre später erschüttern sollte, vorweggenommen. Sklaven wurden befreit, Kranke und Alte gepflegt. Das Staatswesen wurde gemeinschaftlich verwaltet, Kosten und Gewinne aufgeteilt. Dunkelhäutige Seemänner wurden selbstverständlich gleichberechtigt behandelt. Die Piraten achteten darauf, dass keiner unter ihnen war, der große Reichtümer anhäufte, da großer Besitz Macht über Menschen verleihe. Eine ur-kommunistische Gemeinde sozusagen, mehr als 100 Jahre vor Marx.

Ob man nun an die Existenz Libertalias glaubt oder nicht – ein Ausflug zu den drei Buchten mit ihren weißen Sandstränden und dem unwirklichen Licht, das die Palmen fast schwarz erscheinen lässt, lohnt sich auf jeden Fall. Die Strände sind noch nicht touristisch erschlossen, nur wenige Ausflügler verirren sich hin und wieder hierher. Ortskundige Führer bieten sich aber an. Wer ein wenig Malagasy spricht oder Französisch, dürfte keine Schwierigkeiten haben, einen Ausflug zu den legendären Piratenbuchten zu machen. Und, wer weiß, vielleicht steckt irgendwo im Sand zwischen Muscheln und Algen ja noch ein rostiger Säbel …