Johannesburg – Gefährlich, chaotisch, vermüllt und verwahrlost: Johannesburgs Ponte-Tower galt lange Zeit als eine Art «Gangster-Paradies», als angeblich gefährlichstes Hochhaus Afrikas.
Ein fast schon apokalyptisch anmutender Ort, in dem der deutsche Autor Norman Ohler in seinem Buch «Stadt des Goldes» einst Nigerias Drogenmafia ansiedelte. Nach einer kompletten Erneuerung wird er in der einstigen Goldgräberstadt Johannesburg nun zur gefragten Touristenattraktion. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war hier Ende 2018 und hat den atemberaubenden Blick dort genossen.
Blick auf den Leonardo-Turm
«Fast 95 Prozent unserer Besucher sind Touristen, viele davon aus Deutschland, Frankreich oder den USA», sagt Gilbert Mwapé, der die Besucher herumführt. Südafrikaner seien eher selten dabei, sagt der gebürtige Kongolese und meint: «Da arbeiten wir noch an Vorurteilen.» Von der 52. Etage schweift der Blick weit hinüber zum Vorort Sandton, wo zum Jahreswechsel mit dem 234 Meter hohen Leonardo-Turm gerade Afrikas höchstes Wohngebäude fertiggestellt wurde. Es ist eine Art Gegenentwurf zum Ponte-Turm: Johannesburgs Finanzwelt hat sich dort nach dem Ende der Apartheid ihre neue Hochhaus-Kulisse gebaut.
Da kann der 1975 eröffnete, kreisrunde Ponte-Tower mit seinen 173 Metern Höhe längst nicht mehr mithalten. Heute steht er eher für die wechselhafte Geschichte des Kap-Staats. Als weithin sichtbares Wahrzeichen wirkt er wie ein Leuchtturm im Beton-Elend des zu Apartheidzeiten sehr gefragten Stadtviertels Hillbrow, das zum Zentrum einer neuen Gesetzlosigkeit wurde, in dem immer noch Chaos, Schmutz und Gewalt gedeihen.
Vertikaler Slum auf 54 Etagen
Ponte-Tower – das war zunächst eine Kleinstadt mit Schwimmbädern, Restaurants und Boutiquen für eine weiße Elite. Doch der Bau wandelte sich noch zu Apartheid-Zeiten zu einem vertikalen Slum auf 54 Etagen. Im hohlen Innenbereich stapelte sich zuweilen mehrere Stockwerke hoch der Müll. Skrupellose Gangster hatten den Wohnblock im Griff, in dem von Sex über Drogen bis hin zu Waffen fast alles zu haben war. Nach dem Fall der Apartheid hatte das für maximal 3500 ausgelegte Gebäude bis zu 10.000 Menschen, die sich von sogenannten Slumlords Schlafplätze in den verlassenen Wohnungen anweisen ließen.
Die Fußball-WM vor zehn Jahren brachte die Wende und machte den runden Turm zum Hoffnungssymbol. Der Müll wurde abgetragen, die Apartments wurden renoviert und die Sicherheit drastisch verschärft. Der Weg ins Innere gleicht heute mit gescannten Fingerabdrücken und Sicherheitsschleusen dem Gang in eine schwer gesicherte Festung.
Touren durch den Ponte-Tower
Die Hilfsorganisation «Dlala Nje» des Journalisten Nickolaus Bauer hat seit einigen Jahren ein Büro im Ponte-Tower und versucht, dessen Negativ-Image zu wenden und zugleich den Kindern und Jugendlichen Orientierung zu geben. Sie organisiert auch Touren durch das Hochhaus – «Bisher hatten wir mehr als 20.000 Besucher», schätzt Bauer, dessen Vorfahren einst aus Österreich nach Südafrika auswanderten.
Die Idee für die Hochhaus-Touren entstand nach Dreharbeiten für einen der vielen Filme in dem Hochhaus, bei denen sich eine rege Nachfrage abzeichnete. Obwohl die Organisation kaum Werbung dafür macht, sind diese Touren längst kein Geheimtipp mehr. Die Besucher kommen überwiegend aus dem Ausland: «Viele Junge, aber auch Rentner», erklärt Bauer und seufzt: «Prinz Harry und seine Meghan wollten bei ihrem Südafrika-Besuch eigentlich auch kommen – aber der südafrikanische Personenschutz war dann doch zu skeptisch.»
Gegenentwurf zum teuren Stadtteil Sandton
Der Franzose Damien Régnier beendet gerade seine erste Südafrika-Tour im Ponte-Tower. «Wir haben davon in unserem Reiseführer erfahren», sagt er. Kurz vorm Abflug genießt er mit seiner Partnerin Laetitia Oodoomansaib auf der 52. Etage den Weitblick bis nach Sandton, das heute mit seinen Shopping-Zentren als teuerste Meile Afrikas gilt.
Der Ponte-Tower profiliert sich ebenso wie das einst marode, nun aber wieder hippe Stadtviertel Maboneng als eine Art Gegenentwurf zu Sandton. Und zum Wochenende hin kommen auch schon mal Party-Gäste. «Wir haben viele Nachfragen von Betrieben, wie hier das Wochenende mit einem Sundowner einläuten wollen», sagt Mwapé.
(dpa)