San Francisco – Claude ist seit Beginn dabei. Meist liegt er regungslos auf einem beheizten Felsen oder schwimmt mit Schildkröten durch sein Becken.
Das schneeweiße Albino-Krokodil, eine der vielen Attraktionen der «California Academy of Sciences», war bei der Eröffnung des von dem italienischen Architekten Renzo Piano entworfenen
Naturkundemuseumsgerade 13 Jahre alt. Am 27. September feiert der Glaspalast mitten in San Franciscos Golden Gate Park seinen zehnten Jahrestag.
Der Bau besitzt Aquarium, Planetarium, Naturkundemuseum und Forschungsstätten unter einem Dach. Die alte Academy, Baujahr 1916, war 1989 durch das schwere Erdbeben in San Francisco beschädigt und später abgerissen worden. Am selben Ort errichtete Piano ein zweistöckiges, lichtdurchflutetes Naturspektakel, das den Blick nach außen in den Golden Gate Park, nach oben in helle Kuppeln und nach unten in tiefe Aquarien erlaubt.
Die knapp 500 Millionen Dollar teure Konstruktion aus Glas und Recycling-Stahlträgern erhielt die Auszeichnung als das «grünste» Museum der Welt: Sie wurde mit dem Umweltzertifikat für «Leadership in Energy and Environmental Design» (LEED) in Platin gekürt. 2011 kam das zweite «LEED»-Gütesiegel für den ökologischen Betrieb dazu, gemessen an Kriterien wie Energieverbrauch und Wassereffizienz. Das Museum ist damit das größte öffentliche Gebäude der Welt mit diesen Gütesiegeln. 2017 kündigte die Einrichtung an, als erstes großes Museum im Sinne des Pariser Klimaabkommens den Netto-Ausstoß seiner Treibhausgase bis 2025 auf Null zu bringen.
Energiesparend und zugleich ein Highlight ist das über 10.000 Quadratmeter große wellenförmige «lebendige Dach», mit Millionen heimischen Pflanzen begrünt. «Hier haben sich Schmetterlinge, Rotschwanzbussarde und andere Vögel angesiedelt», erzählt Ausstellungsleiter Scott Moran. Das Pflanzendach saugt Regenwasser auf, statt damit die Kanalisation zu belasten. Zehn Jahre nach der Inbetriebnahme seien nur kleine Korrekturen nötig, sagt Moran. So würden etwa auf den Hügelspitzen, die der Wind schneller austrockne, nun trockenresistente Pflanzen wachsen.
Mehr geändert hat sich unter dem geschwungenen Dach mit den beiden großen Kuppeln für das Planetarium und den tropischen Regenwald. «Nachhaltigkeit spielt jetzt in unseren Ausstellungen eine viel größere Rolle», sagt Moran. «Wir zeigen den Besuchern, welche Ökosysteme bedroht sind und wie wir sie schützen können.»
Bei feucht-tropischer Hitze läuft Moran unter einer riesigen Glashaube über eine Wendeltreppe von den sumpfigen Wurzeln in die Baumkronen des Regenwald-Ökotops hoch. Vögel und Schmetterlinge fliegen frei unter der Glashaube zwischen den Besuchern umher. «Esst weniger Fleisch», steht auf einer Tafel. Regenwälder würden abgeholzt, um Farmbetrieben Platz zu machen. Die steigende Fleischproduktion verbrauche viele Ressourcen, erfährt der Besucher.
Mit einem gläsernen Aufzug taucht man von der Tropenkuppel ab in die Meereswelt des Untergeschosses. Über den Köpfen der Besucher im Tunnelaquarium schwimmen Rochen und kleine Haie. Durch das glasklare Plexiglas schimmert von oben das Licht des Regenwaldes durch. Das vier Meter tiefe Korallenriff mit leuchtenden Fischen zählt zu den größten Innenraum-Riffen der Welt. Hinter der bunten Kulisse wird geforscht, wie man durch Klimawandel bedrohten Riffe retten kann. Das Aquarium arbeitet an der künstlichen Nachzucht von Korallen, die dann im Meer ausgesetzt werden.
Auch die Expertin für Insekten und Spinnentiere,
Michelle Trautwein, forscht, entdeckt und katalogisiert in dem Gebäude. Sie ist eine von 15 Kuratoren in dem Museum mit 600 Mitarbeitern. Die Wissenschaftler teilen sich die Kellerräume mit 46 Millionen Museumsexemplaren, von winzigen Tropenkäfern bis zu ausgestopften Grizzlybären.
Gelegentlich mischt sich Trautwein mit ihren Helfern auch unter die Besucher, mit der Bitte, kleine Hautproben nehmen zu dürfen. Sie studiert Milben, die Gesichter und andere Körperteile besiedeln. Die winzigen Spinnentiere sind bei fast jedem Menschen zu finden. Die 42-jährige Biologin erforscht auch Käfer und Ungeziefer in Wohnhäusern. «Beides ist eng mit unserem Leben verbunden. Ich will den Leuten klarmachen, dass wir selbst in unseren sterilen Häusern nicht alleine sind», sagt Trautwein. «Wir sind Teil eines lebendigen Ökosystems, der Erhalt der Artenvielfalt auf der Erde ist für unser Überleben extrem wichtig.»
Stolz führt Trautwein durch endlose Gänge mit Schubladen, vollgepackt mit Insektenexemplaren. Wissenschaftler aus aller Welt würden hier forschen, gleichzeitig hätten sie mehr als eine Million Stücke an andere Institute verliehen. Dieses Naturkundemuseum sei alles andere als «verstaubt, dunkel und muffig», meint die Entomologin. «Wir haben wichtige Arbeit zu tun, gerade in diesen Zeiten», sagt Trautwein mit Blick auf die Gefährdung der Artenvielfalt in vielen Teilen der Welt.
(dpa)