Greifswald – Im Mittelalter galt der rote Backstein an der Ostseeküste als Baustoff Nummer 1. In Ermangelung anderer geeigneter Naturstoffe wurde de gebrannte Ziegel das architektonische Markenzeichen des Nordens.
Kirchen, Rathäuser, Klöster und Giebelhäuser entstanden in der charakteristischen Bauweise, die unter dem Namen «Backsteingotik» Einzug in die Kunstgeschichte fand.
Die erhaltenen Bauwerke aus dieser Zeit werden seit 2002 auf einer «Europäischen Route der Backsteingotik» erlebbar gemacht. Aus einem losen Netzwerk entstand vor zehn Jahren ein gleichnamiger Verein, dem inzwischen 39 Städte aus Deutschland, Dänemark und Polen angehören.
Ziel des Vereins sei es, die Städte mit ihren Bauwerken für Touristen erlebbar zu machen, sagte Geschäftsführerin Steffi Zurmühlen. Zum anderen sei der Verein auch ein Netzwerk, in dem sich die Städte zu speziellen Themen wie der Denkmalpflege austauschen könnten.
Der Verein traf sich nun in Greifswald, um das zehnjährige Jubiläum zu begehen. Die prägnanten Greifswalder Bauwerke der Backsteingotik wie der Dom St. Nikolai, die Marienkirche oder die von Caspar David Friedrich (1774-1840) in vielen Varianten verewigte Klosterruine Eldena standen auf dem Besichtigungsprogramm der Teilnehmer.
Spiritus Rector der Idee der Backsteingotikrouten war der frühere Vorsitzende der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow. Schon in den 1990er Jahren hatte der 2011 gestorbene Denkmalpfleger das Projekt der deutschen «Wege zur Backsteingotik» auf den Weg gebracht, das ab 2002 zu einem europäischen Projekt erweitert wurde.
Die Marke «Europäische Route der Backsteingotik» sei heute im Bewusstsein des kulturinteressierten Reisepublikums fest verankert und habe sich als Sprachrohr der mittelalterlichen Backsteingotik etabliert, sagte der Vereinsvorsitzende Christoph Pienkoß. Der Verein lebe vom Geist der Zusammenarbeit der Mitglieder, Kirchgemeinden, Tourismusverbände, Denkmalpfleger und dem Interesse der Besucher.
Dennoch ist das Projekt bis heute deutschlastig. Nur acht der 39 Städte liegen in Polen, drei in Dänemark. Schweden und der baltische Raum haben bislang nicht Eingang in das Projekt gefunden. In Dänemark sehe man sich stärker als ein Land der Ferienhäuser, weniger der Backsteingotik, sagte Zurmühlen. In Polen dauerten die Entscheidungswege oft sehr lange. Zudem sei es für polnische Städte schwierig, den Mitgliedsbeitrag von 2500 Euro pro Jahr zu stemmen.
40 000 Reiseführer werden pro Jahr gedruckt, um Besucher auf die Orte der Backsteingotik aufmerksam zu machen. Vor allem die kleineren Orte, die neben den großen Hansestädten wie Wismar, Lübeck, Stralsund oder Greifswald weniger bekannt sind, profitierten davon, sagte Zurmühlen. Zum Jubiläum macht sich der Verein selbst ein Geschenk: Eine neue Homepage mit Informationen zu Orten und Bauwerken soll zum 26. September freigeschaltet werden.
(dpa)