Bordeaux – Beim Blättern in den Bildern ihrer Kindheit fällt Aurélie Chopy nichts Gutes zur ihrer Heimatstadt ein. «Bordeaux war dreckig und schwarz», erinnert sie sich.
Über dem Glanz vergangener Zeiten lag eine Patina aus Vergessen, Gleichgültigkeit, Verwahrlosung. Die Handelsstadt an der Garonne im Südwesten Frankreichs war zwar, getragen von dem Geschäft mit den weltberühmten Bordeaux-Weinen, wirtschaftlich erfolgreich, doch von der Zeit zernagt und von Hafen- und Fabrikanlagen zersetzt.
Um die Jahrtausendwende setzte allerdings das Großreinemachen ein, angetrieben von visionären Köpfen und Plänen für die Stadtentwicklung, umgesetzt von Kränen, Baggern und Abrissbirnen. Wo vorher Lagerhäuser am Fluss Garonne Blick und Zugang versperrten, entstanden nun Flanierpromenaden, Cafés, Restaurants und Boutiquen.
«Die Atmosphäre hat sich komplett verändert», sagt Stadtführerin Chopy und schwärmt: «Bordeaux ist für mich der komfortabelste Platz auf der Welt.» Zum Fortkommen reichen ihr Fahrrad und Straßenbahn.
Fusion aus Alt und Neu
Bordeaux ist trendy geworden, erfasst vom Sog einer Aufbruchstimmung, wie sie auch in anderen Städten Europas herrscht, ob sie nun Tallinn oder Belgrad heißen. Dabei greifen Alt und Neu auf unterschiedlichste Art ineinander.
Einerseits weitet sich die Moderne aus, zu sehen zum Beispiel im Viertel Bacalan, wo brandneue Straßenzüge und Wohnblocks entstehen und seit Mitte 2019 das Musée Mer Marine die Museumslandschaft mit einem Querschnitt durch die Schifffahrtsgeschichte bereichert.
Auf der anderen Seite ist hier kein Baubestand zu schäbig, kein Hinterhof zu dunkel und kein Gebäude zu abgewrackt, als dass nicht eine Neunutzung in Betracht käme. So ist aus dem U-Boot-Bunker, den die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg bauten und nutzten, ein Kunstausstellungszentrum erwachsen, das mit den Bassins de Lumières ab Mitte April 2020 eine große Multimedia-Installation zeigen wird. Und ein Kasernengelände hat seine Umwidmung zum hippen Hotspot «Darwin» mit Skateparks und urbaner Landwirtschaft erlebt.
Die Wiederentdeckung der Weinmetropole
Die Entdeckung der alten Weinmetropole ist eigentlich eine Wiederentdeckung – denn schon früher schwärmten die Menschen von ihr. Für den Dichter Marie-Henri Beyle alias Stendhal (1783-1842) war Bordeaux «unbestritten die schönste Stadt Frankreichs». Und sein Zeitgenosse Victor Hugo (1802-1885) schwärmte: «Nehmen Sie Versailles, fügen Sie Antwerpen hinzu, und Sie haben Bordeaux.»
Um die sechs Millionen Touristen strömen pro Jahr nach Bordeaux. Klassiker im Besichtigungsprogramm sind die Kathedrale, das Theater, der ersteigbare Turm der Basilika Saint-Michel, der Uhrturm Grosse Cloche und der Miroir d’Eau, der «Wasserspiegel», in dem die historischen Fassaden um den Börsenplatz baden.
Auch das «flüssige Gold», im Prinzip Bordeauxs größtes Wahrzeichen, beansprucht sein Recht: Das Weinmuseum Cité du Vin hat eine avantgardistische Form, welche die Dynamik des Weins in einem geschwenkten Glas symbolisiert. Draußen schillern Aluminium und Glas, im Museum warten Themenparcours und Kostproben in der Aussichtsetage. Als Nachhilfe in Sachen Bordeaux-Weine gibt es Degustationsworkshops.
Eine Pariser Vorstadt
Die Pegelausschläge beim Flair schwanken. Schick geht es in den Weinbars der Markthalle Bacalan zu, charmant auf Altstadtplätzen, bodenständig auf dem Wochenmarkt Marché de Capucins. Da der Schnellzug nach Paris nur noch zwei Stunden braucht, scherzen manche, Bordeaux sei nun eine Pariser Vorstadt. Doch das wird Bordeaux nicht gerecht. Es hat sich als Spitzendestination etabliert.
Info-Kasten: Bordeaux
Anreise: Per Bahn oder Flugzeug. Direktflüge nach Bordeaux gibt es zum Beispiel ab Frankfurt/Main oder Berlin.
Gesundheit: Informationen zur aktuellen Situation auch mit Blick auf die Verbreitung des neuartigen Coronavirus bietet das Auswärtige Amt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen unter http://dpaq.de/6xZgT.
Informationen: Atout France – Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 10 01 28, 60001 Frankfurt (Tel.: 069/74 55 56, E-Mail: info.de@france.fr, Internet: de.france.fr/de).
(dpa/tmn)