Berlin – Auf den ersten Blick sehen die neuen Sitze für den ICE nicht viel anders aus als die alten. Wer sich fragt, warum auch, unterschätzt, wie wichtig Bahnfahrern bequemes Sitzen gerade auf langen Strecken ist.
Das Unternehmen hat einiges an Zeit, Geld und Ideen investiert, um der Frage nachzugehen, was so ein ICE-Sitz braucht, damit die Kunden möglichst wenig zu meckern haben. Die Bahn hat die neuen Sitze im Rahmen ihrer Veranstaltung
«Mobilität erleben 2019» vorgestellt.
Karl-Peter Naumann ist ganz zufrieden. Der 68-Jährige ist erklärter Bahnfan, nimmt aber auch kein Blatt vor den Mund, wenn er Anlass dafür sieht, das Unternehmen zu kritisieren.
Naumann ist Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn und hat auf den neuen Sitzen im DB Werk Grunewald in Berlin schon mal Probe gesessen. Die Sitze seien eindeutig besser als die vorigen, findet Naumann – und die Polster ein guter Kompromiss zwischen hart und weich.
«Wir haben alle ein unterschiedliches Empfinden, wie ein Sitz wirkt», sagt Oliver Wolf, Leiter Produktmanagement ICE bei der Bahn. Genau das ist Teil des Problems, das die Bahn angehen wollte, nachdem es an den Sitzen im ICE4 einige Kritik gegeben hatte.
Wie wollen Bahnkunden am liebsten sitzen?
Weil sich nicht per Messtechnik herausfinden lässt, wie Bahnkunden am liebsten sitzen wollen, hat das Unternehmen diesmal in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt gefragt, was sie über die bisherigen Sitze denken. Im nächsten Schritt wurden mit dem Sitzhersteller und dem Ergonomie-Institut München drei Prototypen entwickelt.
«Wir haben zunächst 600 Personen unter Laborbedingungen jeweils rund zwei Stunden darauf sitzen lassen», erklärte Wolf. «Anschließend wurden sie zu ihren Einschätzungen befragt. Alle drei Prototypen wurden dabei bereits deutlich besser bewertet als der Seriensitz.»
Und danach wurden die Prototypen in zwei ICE-Zügen im Regelbetrieb von 5800 Bahnkunden getestet. «Ein Kritikpunkt waren zu harte Armlehnen», sagte Wolf. Sie sind nun weicher geworden – und in der ersten wie der zweiten Klasse aus echtem Leder. In der ersten Klasse ist die Sitzfläche auch größer geworden und drei Zentimeter länger als in der zweiten. «Dafür lässt sich die Sitzfläche dort nun um zusätzliche drei Zentimeter nach vorne ziehen.»
Auch in der zweiten Klasse ist das Rückenpolster weicher geworden, ebenso wie die Sitzfläche. Beim Bemühen um gutes Sitzen geht es erkennbar um Details. Auch für Karl-Peter Naumann: Gut findet er die Becherhalter, die es künftig imn der ersten Klasse in allen ICE3- und ICE4-Zügen geben soll. Nicht gelungen ist aus seiner Sicht das Piktogramm für den Abfall, weil es nach seiner Einschätzung deutlich zu klein geraten ist.
Die Umrüstung ist ab März 2020 geplant.
«Ende 2021 sollen alle ICE3 und ICE4-Züge die bequemeren Sitze haben», sagte Wolf. «Die Gesamtinvestition für die neuen Ausstattungen liegt bei 40 Millionen Euro.»
Vorstandschef Richard Lutz versicherte, die Bahn wolle insgesamt innovativer, moderner und attraktiver werden. Das Unternehmen hat sich aber auch in anderer Hinsicht einiges vorgenommen, auch neben den großen Zielen von der Verdoppelung der Fahrgäste im Fernverkehr und dem kompletten Umstieg auf Ökostrom bis 2028.
«Wir werden die digitalen Dienste weiter ausbauen», kündigte Michael Peterson, Vorstandsvorsitzender der DB Fernverkehr, an. Dazu gehört beispielsweise eine App, mit der Fahrgäste künftig am Sitzplatz Essen und Getränke bestellen können oder eine, die ihnen bei der Orientierung in den wichtigsten deutschen Umsteigebahnhöfen hilft. Bisher sind 72 Bahnhöfe erfasst, 200 sollen es werden.
Ebenfalls ein neues digitales Hilfsangebot ist die Störfallkarte, die schnelle Infos zu Betriebsstörungen während der Fahrt bieten soll. Neu, aber seit acht Wochen schon im Testbetrieb, ist außerdem ein Chatbot, der Fragen etwa zu Stornierungsmöglichkeiten beantwortet und derzeit bereits für 1400 Chats pro Tag genutzt wird.
Und neu ist auch die Stimme, die Bahnreisende bald öfter hören werden. Sie gehört Profisprecher Heiko Grauel, der 14.000 Sätze für die Bahn eingesprochen hat. Ein Text-to-Speech-System generiert daraus die Texte, die die Bahn für ihre Ansagen an Bahnhöfen benötigt. Ende des Jahres soll seine Stimme dort zum ersten Mal zu hören sein – flächendeckend erst in zwei bis drei Jahren.
(dpa)