Berlin – Strandurlaub an der Adria, Wandern in Österreich oder nur mal eine kleine Städtetour nach Paris – was davon in diesem Sommer möglich sein wird, ist noch völlig unklar.
Dass die Corona-Pandemie alle Osterurlaubspläne über den Haufen geworfen hat, ist von den meisten noch als alternativlos akzeptiert worden. Aber was wird, wenn Auslandsreisen auch in der Hauptferienzeit von Juni bis August noch nicht möglich sind, wenn ganz Deutschland im Sommer zu Hause bleiben muss? Weil das Thema so brisant ist, wagte lange Zeit niemand eine Prognose, ob das so kommen kann.
Aber jetzt preschen die Ersten vor. «Die Wahrscheinlichkeit, dass Urlaub in anderen Ländern im Sommer so leicht möglich ist, schätze ich aus gegenwärtiger Sicht eher als unwahrscheinlich ein», sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Kurz darauf zog der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), nach. «Der Sommerurlaub dieses Jahr wird wahrscheinlich eher in Deutschland stattfinden», sagte er der Funke Mediengruppe.
Die Bundesregierung wartet noch ab
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) geht noch nicht so weit. «Solange es Ausgangssperren gibt in vielen Ländern, wird dort auch kein Urlaub zu machen sein», sagt er zwar, fügt aber hinzu: «Wir werden das von Woche zu Woche entscheiden.»
Maas ist derjenige, der den Hebel in der Hand hat, um das Startsignal für den Sommerurlaub im Ausland zu geben. Er hatte Mitte März für alle Länder dieser Welt eine
Reisewarnung für Touristen ausgegeben – ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Für eine Aufhebung müsste eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt sein:
– Zunächst einmal müssten touristische Reisen innerhalb Deutschlands wieder ermöglicht werden. Bis zum 3. Mai gilt: Im Inland sollen selbst überregionale Tagesausflüge unterlassen werden, die Hotels sind geschlossen. Am 30. April soll neu entschieden werden.
– Die Grenzen müssten wieder für den Reiseverkehr geöffnet, Flugverbindungen wieder aufgenommen werden. Dafür wünscht sich Maas eine europäische Abstimmung. Das wird nicht ganz einfach: Bei der Schließung der Grenzen handelten die EU-Mitgliedstaaten zunächst auf eigene Faust. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen machte jedenfalls jüngst wenig Hoffnung auf eine Rückkehr zum kontrollfreien Reiseverkehr in Europa.
– Es muss sicher sein, dass Auslandsreisende auch ohne Probleme wieder zurückkommen können. Das Auswärtige Amt hat gerade erst in einem beispiellosen Kraftakt mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften mehr als 240 000 wegen der Corona-Krise gestrandete Touristen nach Hause zurückgeholt. Das soll eine Ausnahme bleiben.
Die Aussichten in den Hauptreiseländern sind düster
Letztlich hängt alles davon ab, wie sich die Situation in den Hauptreisezielen entwickelt, die zum Teil zu den am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern gehören. Und da sieht es derzeit noch düster aus:
– Italien: Der Tourismus ist der am heftigsten von der Krise getroffene Geschäftszweig in dem Land. Zigtausende Arbeitsplätze hängen davon ab. Daher blühen allerlei kuriose Ideen, wie man einen sichereren Strandaufenthalt garantieren könnte. Es wird über Zulassungsbeschränkungen an Stränden genauso diskutiert wie über Desinfektionsmittel an Sonnenliegen oder Maskenpflicht beim Sonnen. Doch kaum jemand rechnet damit, dass der Tourismus zum Sommer wieder hochfährt. «Wir können erst öffnen, wenn es absolute Sicherheit gibt. Wer will sich schon an den Strand legen, wenn er Angst vor Ansteckungen hat», sagte Mauro Vanni vom Verband der Badeanstalten in der Urlaubsstadt Rimini. Da seien auch absurde Ideen wie Plexiglas-Boxen um die Sonnenliegen oder desinfizierte Tunnel zum Strand nutzlos.
– Frankreich: Die Tourismusindustrie geht davon aus, dass in diesem Sommer Millionen ausländischer Touristen fernbleiben. Gesundheitsminister Olivier Véran betonte, dass während und auch nach einer Pandemie nicht die richtige Zeit für große internationale Mobilität sei. Die Regierung riet zuletzt davon ab, aktuell eine Reise zu buchen, weil die Situation noch zu unsicher sei. Das bedeute aber erstmal nicht, dass die Menschen dieses Jahr den Sommerurlaub ganz streichen müssen. Der Chef der Staatsbahn SNCF, Jean-Pierre Farandou, erklärte, er hoffe, dass bis Anfang des Sommers wieder 100 Prozent der TGV-Züge fahren.
– Spanien: Party auf Mallorca, Relaxen auf den Kanaren? Eher nicht. Der Tourismus werde in Spanien nicht vor Jahresende in Gang kommen, warnte die Regierung in Madrid dieser Tage. Das Land werde die touristischen Aktivitäten erst dann wieder aufnehmen, wenn es «Garantien für außerordentlich sichere Bedingungen» gebe, sagte Regierungssprecherin María Jesús Montero. Im Sommer werde es mit Sicherheit noch nicht so weit sein, meinte Arbeitsministerin Yolanda Díaz. Sie warnte nicht nur die Tourismusbranche, sondern auch das Gastgewerbe sowie den Kultur- und den Fernverkehrssektor, dass in diesen Bereichen erst gegen Jahresende mit einer Reaktivierung gerechnet werden könne.
– Österreich: Österreichs Tourismusministerin Elisabeth Köstinger hat in Sachen Reisemöglichkeiten im Sommer Gesprächsbereitschaft gegenüber Deutschland angedeutet. «Die Einschränkung der Reisefreiheit wird uns in den nächsten Monaten noch erhalten bleiben», sagte die ÖVP-Politikerin der Zeitung «Die Presse» (Sonntag). «Wenn Länder aber auch auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt.» Sie antwortete damit auf die Frage, ob Touristen im Sommer nach Österreich kommen und umgekehrt Österreicher ins Ausland fahren können. Deutsche Touristen hatten in der Sommersaison 2019 mehr als 37 Prozent der Übernachtungen in Österreich gebucht.
– Türkei: Immerhin aus der Türkei kommen zuversichtliche Töne. Europa sei schon wieder auf dem Weg zur Besserung, so dass Gäste noch im Juni langsam wieder mit dem Reisen beginnen könnten, sagt Osman Ayik von der Türkischen Hotelföderation. Er hofft auf eine Aufbruchsstimmung nach der Aufhebung der Beschränkungen: Dann könnten die Menschen erst recht wieder danach dürsten, zu reisen.
Die Reiseveranstalter geben den Sommer noch nicht verloren
Auch große Veranstalter in Deutschland geben die bis Oktober laufende Sommereisesaison noch nicht verloren – das gilt auch für das wichtige Auslandsgeschäft. Branchenprimus Tui gibt sich optimistisch. «Wir gehen davon aus, dass wir im Hochsommer wieder Gäste in verschiedene Urlaubsziele fliegen werden», sagte ein Unternehmens-Sprecher.
Derzeit nutzt das Unternehmen die Zeit, um sich vorzubereiten. Tui stehe in engem Austausch mit den Regierungen auch in den Urlaubsländern und entwickele gemeinsam mit Hotelpartnern umfangreiche Sicherheits- und Hygiene-Standards. Das gelte auch für die Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge des Konzerns. «Sobald die Menschen wieder reisen können, werden sie das tun. Wir sind dann entsprechend startklar und in der Lage, wieder Reisen anzubieten», sagte der Tui-Sprecher.
Auch FTI ist davon überzeugt, «dass die Deutschen nach der langen Zeit zuhause sicher so schnell wie möglich wieder verreisen wollen, vielleicht sogar mehr denn je». Den Sommer hat der Veranstalter noch nicht gänzlich abgeschrieben. Eine rasche Entscheidung über ein mögliches Ende der Reisewarnung wäre aus Sicht der Münchner allerdings «hilfreich und wünschenswert».
Die FTI-Tochter MP Hotels bereitet sich demnach für die Wiedereröffnungen der einzelnen Häuser vor. «So gibt es beispielsweise die Überlegung, Hotels nur mit maximal halb so vielen Gästen wie möglich zu belegen, um Mindestabstandsregeln in öffentlichen Bereichen oder am Pool ohne Probleme einhalten zu können», erläuterte eine FTI-Sprecherin.
Die Urlauber reagieren gespalten
Und was machen die Urlauber? Sie sind gespalten. Nach dem ARD-«Deutschlandtrend» haben 14 Prozent der Deutschen ihren Urlaub bereits storniert, 21 Prozent haben geplante Buchungen verschoben. 28 Prozent wollen der Umfrage zufolge dagegen noch an ihren Reiseplänen festhalten. 31 Prozent hatten ohnehin nicht vor, zu verreisen.
(dpa)