München – Tausende Touristen strömen jedes Jahr aufs Oktoberfest nach München und auf andere traditionelle Volksfeste. Und das in Tracht. Aber dürfen Zugereiste und Touristen das eigentlich? Oder ist das gar respektlos?
Es gibt eine gute Antwort für alle weiblichen Touristinnen, die den Vorwurf hören, sie dürfen als Nicht-Bayer kein Dirndl tragen: Früher haben nur Zugereiste Dirndl getragen, verrät die Kulturwissenschaftlerin Simone Egger von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Sie hat ein Buch zum «Phänomen Wiesntracht» in München geschrieben.
Hier ein bisschen Geschichtswissen für den Smalltalk im Festzelt: Der Begriff Tracht steht für ein lokal traditionelles Gewand, das handgefertigt wird. Und Tracht gibt es überall auf der Welt – aber Dirndl und Lederhose gehören nicht unbedingt dazu.
Die Lederhose war einst eine klassische Arbeiter- und Jagdklamotte, der Lodenjanker die übliche Jacke. «Das Dirndl hingegen ist sogar eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts für Frauen aus Großstädten wie Berlin, Hamburg und sogar London, die im Sommer auf dem Land Urlaub machten», erklärt Egger. Das Baumwollkleid mit Mieder in Karo- und Blumenmuster erinnere also an historische Trachten, stehe aber immer schon mehr für eine schöne Idee der Mode.
Stellt sich noch die Frage: Muss ich auf dem Oktoberfest Dirndl oder Lederhose tragen? Nein – und das haben selbst die Münchner lange nicht getan. «Vor den 2000er Jahren ist kaum jemand in Dirndl und Lederhose aufs Oktoberfest gegangen», berichtet Egger. Während man in den 50er und 60er Jahren sogar im Anzug und Kostüm die Wiesn besuchte, war später der Freizeitlook mit Jeans angesagt.
(dpa/tmn)