Hannover – Jede vierte gebuchte Urlaubsreise bei der Tui in der Wintersaison ist eine Fernreise. Die Deutschen entdecken die Welt, und sie tun dies immer häufiger abseits von Europa und Nordafrika.
Welche Länder sind besonders beliebt? Was sind die Motive, um in die Ferne zu schweifen? Und macht der ökologische Fußabdruck kein schlechtes Gewissen? Darüber spricht Marek Andryszak, neuer Chef von Tui Deutschland (ab 1. Juli), im Interview.
Wie sind Fernreisen bei der Masse so beliebt geworden?
Marek Andryszak: Der Asien-Trend begann mit dem Aufstieg der Golf-Carrier vor gut zehn Jahren. So entstanden die Drehkreuze in Richtung Osten. Die Karibik ist schon seit den 90ern im Trend. Gerade in den letzten zwei Jahren hat sich das aber noch einmal verstärkt, weil die Kanaren relativ teuer geworden sind. Preislich kann die Karibik da inzwischen mithalten.
Günstige Flugtickets, immer mehr Verbindungen: Hat der Boom der Fernreise vor allem mit günstigen Preisen zu tun?
Andryszak: Nicht nur, auch mit der Vielfalt. Wir haben heute mehrere Tausend Hotels in der Karibik und in Südostasien. Das Angebot ist viel breiter geworden. Und die Kundenstruktur hat sich verändert. Im Schnitt sind in unsere Gäste älter und reiseerfahrener geworden. Ein Treiber der Entwicklung sind außerdem unsere eigenen Hotelmarken. Wenn es irgendwo ein neues Riu-Hotel gibt, sagen sich viele «Och, da könnte ich doch jetzt mal hinreisen.»
Welche Fernreiseziele sind abseits der Klassiker wie USA, Thailand und Dominikanische Republik noch Massenziele geworden?
Andryszak: Mauritius zum Beispiel. Vor zehn Jahren war das noch ein reines Luxusprodukt für die oberen Zehntausend. Das hat sich geändert. Es gibt hervorragende Hotels im Vier-Sterne-Segment, die sich durchaus viele Kunden leisten können. Südafrika gehört auf jeden Fall auch dazu. Und Vietnam wird in den nächsten Jahren sehr stark kommen. Auch Sri Lanka hat sich als Fernreiseziel etabliert.
Suchen die Urlauber in der Ferne ganz andere Dinge als in Europa, oder haben sie die gleichen Bedürfnisse?
Andryszak: Auf der Fernstrecke ist auf jeden Fall die relative Zahl der Ausflüge und Rundreisen größer. Die Urlauber verlassen das Hotel eher. Auf der Fernreise wird außerdem viel mehr kombiniert: Sri Lanka mit den Malediven, Dubai mit Mauritius, oder auch innerhalb eines Landes, Bangkok mit Ko Samui zum Beispiel. Wer lange fliegt, will mehr sehen als nur einen Ort im Urlaubsland.
Tui hat sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben, es gibt sogar eine eigene Stiftung. Wie passt das zum Fernreise-Trend, der wegen des hohen CO2-Ausstoßes auf Fernflügen besonders stark die Umwelt belastet?
Andryszak: Wenn wir keine Fernreisen mehr anböten, dann würden wir die Grundlage unseres Geschäfts untergraben. Aber es gibt Stellschrauben, an den wir drehen. Wir versuchen zum Beispiel, Flugzeuge einzusetzen, die weniger Kerosin verbrauchen. Bis 2020 wollen wir Europas emissionseffizienteste Fluggesellschaft betreiben und die CO2-Intensität unserer Geschäftstätigkeit um zehn Prozent senken.
Wird Kunden die Möglichkeit, den CO2-Ausstoß eines Fluges zu kompensieren, überhaupt aktiv angeboten?
Andryszak: Wir hatten das in Deutschland vor einigen Jahren schon mal angeboten. Die Resonanz war ernüchternd. Nur wenige Urlauber waren bereit, aus Umweltgründen mehr für ihre Reise zu bezahlen. Und die Reisebüros boten das auch nicht aktiv an, weil sie daran nichts verdienten.
Wäre es in der Zukunft einmal denkbar, als Veranstalter generell einen kleinen pauschalen Anteil des Reisepreises zur CO2-Kompensation abzuführen?
Andryszak: Die Balearen zum Beispiel haben ja eine Ökosteuer für Touristen eingeführt. Dazu kann man so oder so stehen. Aber es ist auf jeden Fall fairer als eine Veranstalterabgabe, weil es alle Urlauber umfasst, auch die Individualreisenden.
ZUR PERSON: Marek Andryszak ist Touristikchef bei Tui Deutschland und Vorstandsvorsitzender der Last-Minute-Tochter L’tur. Ab 1. Juli löst er Sebastian Ebel als Vorsitzenden der Geschäftsführung der Tui Deutschland ab.
(dpa/tmn)