Karlsruhe – Passagieren, deren Flug wegen Streiks an den Sicherheitskontrollen ausfällt, kann eine Entschädigung von der Airline zustehen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden.
Grundsätzlich müssen die Fluggesellschaften ihren Kunden nur dann nichts zahlen, wenn sie auf die Ereignisse keinen Einfluss hatten und die Annullierung unumgänglich war. Das ist dem Urteil zufolge bei Streiks der Sicherheitsleute bei weitem nicht immer so (Az. X ZR 111/17).
Um welchen Fall ging es?
Geklagt hat ein Ehepaar, das am 9. Februar 2015 mit dem britischen Billigflieger Easyjet auf die Kanaren-Insel Lanzarote fliegen wollte. An dem Tag beeinträchtigten Warnstreiks des Sicherheitspersonals massiv den Betrieb am Hamburger Flughafen. Die Verbindung wurde deshalb gestrichen, die Maschine hob ohne Passagiere ab.
Die Eheleute verlangen von Easyjet eine Ausgleichszahlung nach EU-Recht. Das Hamburger Landgericht, das ihre Klage abgewiesen hatte, muss darüber nun noch einmal verhandeln und entscheiden.
Welche Rechte haben Reisende bei Flugausfällen?
Reisenden steht in der
EU seit 2005 grundsätzlich ein finanzieller Ausgleich zu, wenn ihre Verbindung stark verspätet oder überbucht ist oder kurzfristig ganz ausfällt. Die Fluggesellschaft muss allerdings nicht zahlen, wenn «außergewöhnliche Umstände» schuld sind und alles Zumutbare unternommen wurde, um die Beeinträchtigungen zu vermeiden. Das kann bei Streiks der Fall sein, ist aber nicht automatisch so.
Die Eheleute waren schon frühmorgens zum Flughafen gefahren, hatten mehrere Stunden vor dem Abflug die Kontrollen passiert und warteten reisefertig am Gate. Nach Auffassung der Karlsruher Richter ist die Annullierung nur dann alternativlos, wenn sich wegen der Verzögerungen kein einziger Fluggast rechtzeitig zum Boarding einfindet. Dass «zahlreiche Passagiere» den Flug verpassen, zwinge die Airline noch nicht, die Verbindung ganz zu streichen.
Das Landgericht hatte die Bedenken von Easyjet geteilt, dass an den wenigen geöffneten Schleusen wegen des starken Andrangs möglicherweise nicht alle Reisenden mit der nötigen Sorgfalt kontrolliert worden seien. Das lässt der
BGH so allgemein nicht gelten. Die Airline brauche schon Anhaltspunkte für ein konkretes Risiko, sagte der Vorsitzende Richter Peter Meier-Beck. In einem solchen Fall sei allerdings davon auszugehen, dass die zuständige Luftsicherheitsbehörde ohnehin sämtliche Kontrollen schließen müsste.
Wie komme ich an meine Entschädigung von der Airline?
Um eine Entschädigung für eine Annullierung oder deutliche Flugverspätung zu erhalten, wenden sich Reisende zunächst direkt an die Airline. Das hat zwei Monate Zeit für eine Antwort. Oft wiegeln Fluggesellschaften dabei ab und verweisen zum Beispiel allgemein auf technische Probleme oder das Wetter.
Oder sie bieten Gutscheine von niedrigem Wert. Kunden müssen sich darauf nicht einlassen. In einem nächsten Schritt können sie die
Schlichtungsstelle söp in Berlin einschalten. Das ist kostenlos. Die Verfahren können sich aber hinziehen, das Ergebnis ist nicht bindend.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Fluggastrechteportalen, die quasi wie Inkasso-Dienste arbeiten. Sie gehen im Auftrag des Passagiers auch gerichtlich gegen die Airline vor – und kassieren dafür eine Provision von etwa 20 bis 30 Prozent. Der Kunde bekommt also nicht die volle Entschädigungssumme. Die Portale übernehmen in der Regel nur Fälle, die sie sicher gewinnen. Liegt der Fall nicht so eindeutig, besteht noch die Möglichkeit, sich einen Rechtsanwalt zu suchen und vor ein Gericht zu ziehen.
(dpa)