Hamburg – Ihren 50. Geburtstag hat Jacqueline Groher am Fuße der Anden verbracht – mit drei Backpackern, halb so alt wie sie selbst. In Hamburg trainiert sie Führungskräfte, doch für den besonderen Anlass sollte es eine Auszeit weit weg sein. Die Wahl fiel auf Bariloche am Rande Patagoniens.
Von Bariloche startete Jaqueline Groher ihre Reise durch Argentinien, ausgestattet mit Rucksack, Lonely Planet und Smartphone. Backpacken mit 45 plus – gilt man da nicht als kompletter Sonderling?
Tatsächlich reisen heute auch Ältere wie die Jungen, die ohne Reiseveranstalter in Südamerika oder Südostasien unterwegs sind. «Wir Alten werden jünger und hinterfragen das Leben ebenso wie die Generation Y», sagt Groher. Doch es gibt einen Unterschied: Menschen in der zweiten Lebenshälfte haben in der Regel weniger Zeit, aber dafür mehr Geld zur Verfügung. Es gibt sie also, die Backpacker jenseits der 45 – aber man weiß nicht viel über sie.
«Als Backpacker gelten Reisende, die individuell ohne festen Zeitplan unterwegs sind», erklärt Manuela Bauer, Geographin an der Universität München. Sie beschäftigt sich derzeit in ihrer Doktorarbeit mit dem rasant wachsenden Phänomen des Gap Year Travel – dem Reisejahr als Auszeit, etwa zwischen Studium und erstem Job.
Das Selbstverständnis der Backpacker lautet: «Wir sind individuell, flexibel und gehen unsere eigene Route, abseits ausgetretener Pfade», erklärt Bauer. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Zum Beispiel in Südostasien sind mittlerweile so viele Individualtouristen auf den gleichen Routen unterwegs, dass man schon fast von Gruppenreisen sprechen kann. Dort ist auch die Generation Babyboomer unterwegs, die teils schon in jungen Jahren weit gereist ist. Nun sind die Kinder aus dem Haus. Und das Reisen ist viel günstiger als früher.
«Die Flüge sind billiger, die Flexibilität ist gerade auch unterwegs durch die Digitalisierung immer größer geworden», sagt Bauer. Hostels lassen sich zum Beispiel von einem auf den anderen Tag per Tablet oder Smartphone buchen. Gefragt sind auch bei Älteren individuelle Erlebnisse statt Standard-Touristenprogramm. «Der Rucksack ist dabei eher ein Sinnbild», sagt Bauer. Man kann nämlich sehr wohl auch mit Satteltaschen individuell unterwegs sein – so wie Petra Decker.
Die 50-Jährige ist Vorsitzende des Vereins Deutsche Zentrale für Globetrotter (dzg) in Worms. Sie geht mindestens einmal im Jahr mit dem Fahrrad sechs Wochen am Stück auf Reise. Vor einem Jahr fiel die Wahl auf die Carretera Austral, eine Fernstraße in Chile. «Da gab es jede Menge Radreisende. Ich war die Oma», erzählt Decker. Trotzdem machte sie locker 100 Kilometer am Tag.
Auch wenn sie ihr Zelt dabei hatte – am liebsten schlief Decker im Hostel. «Da trifft man immer auf andere Leute und bekommt gute Tipps.» Das sehen auch viele junge Reisende so. Trotzdem gibt es kleine Unterschiede. Decker gönnt sich zum Beispiel ein teureres Einzelzimmer, und sie gibt mehr Geld für Essen aus. «Ich koche mir da nicht Nudeln mit Tomatensoße», sagt sie. Die Hostels hätten sich inzwischen auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Bedürfnisse eingestellt. Vom Mehrbettzimmer bis zum Einzelzimmer mit eigenem Bad kann man jedes Komfortniveau haben.
Klimatisierter Bus statt Klapperkiste, WLAN fast überall und und mehr Komfort gegen Aufpreis in den meisten Hostels: Das individuelle Reisen ist in vielen Ländern außerhalb Europas einfach geworden. Ein Backpacker muss heute kein wagemutiger Jungspund mehr sein. Und so schultern auch Ältere den Rucksack – es dürften eher mehr werden.
(dpa/tmn)