Aschau – Eine kleine Kapelle und drei, vier niedrige Almhütten, die verstreut am Rand einer großen Wiese stehen: Die Riesenalm auf 1400 Meter Höhe ist eine kleine Ansiedlung oberhalb von Hohenaschau im Chiemgau, die Jahrhunderte lang nur im Sommer bewohnt war.
Noch bis in die 1970er Jahre lebten hier Sennerinnen und Senner. Sie kümmerten sich um Vieh, stellten Käse her und bewirteten die Wanderer, die im Laufe der Jahre immer zahlreicher wurden.
Sennerin mit Leib und Seele
Sennerin mit Leib und Seele war auch Maria Wiesbeck (1924-2017) von der Oberkaseralm, die am schönsten Berg der Chiemgauer Alpen liegt, dem Geigelstein. Die Sennerin verbrachte fast ihr gesamtes Leben dort oben. «So frei und dem Himmel so nah», wie sie einmal sagte.
Was verbindet die Riesenalm und die Oberkaseralm? Beide liegen entlang einer viertägigen Hüttenwanderung auf den Spuren der «Oberkaser-Mare» durch den westlichen Teil der Chiemgauer Alpen. Hohenaschau ist der Startpunkt.
Es geht über Wiesen und durch Wälder, mit Blick auf den Wilden Kaiser, den Zahmen Kaiser bis zu den schneebedeckten Gipfeln der österreichischen Alpen. Alpenvereinshütten liegen auf der Rundtour, der Wanderweg verläuft meist zwischen 1200 und 1500 Metern.
Bergwanderführer
Einer, der die Namen sämtlicher großer und auch der kleinen Gipfel kennt, ist Peter Birle. Der Bergwanderführer erinnert sich an die eigenwillige Sennerin. «Ich kam vor einigen Jahren mit einer Gruppe von Schneeschuhwanderern im Winter vorbei, nachdem ihre Hütte von einer Lawine verschüttet worden war», berichtet Birle. «Die schon hochbetagte Mare kletterte gerade aufs schneebedeckte Hausdach, um es mit einem Schäufelchen von seiner Last zu befreien. Das war schon sehr skurril.»
Unterhalb der Oberkaser-Alm, die heute nicht mehr bewirtschaftet ist, steht eine schmucke Villa im alpenländischen Stil. Das Haus lässt erahnen, wie sich der Geigelstein verändert hat.
Aber dennoch hat dieses Fleckchen Erde nichts von seiner Faszination eingebüßt: Bei Sonnenuntergang färbt sich der Horizont zart orange, die zackigen Spitzen des Wilden Kaisers zeichnen sich wie ein Scherenschnitt scharf gegen den Abendhimmel ab.
Seit 1991 ist das Gebiet um den zweithöchsten Berg der Chiemgauer Alpen weiträumig als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Durch die jahrhundertelange Nutzung der Almen bildete sich eine landschaftliche Vielfalt aus, die viele selten gewordene Pflanzen und bedrohte Tiere als Lebensraum bevorzugen, darunter die scheuen Raufußhühner wie Auerhahn, Birkhuhn und Alpenschneehuhn.
Immer weniger Kühe
Doch immer weniger Kühe verbringen noch den Sommer auf den Almen. Um den ursprünglichen Charakter der Alpenlandschaft zu erhalten, wurde 2015 das Bergbauernmodell Sachrang aus der Taufe gehoben. Eine Gruppe von Bergbauern aus dem Ortsteil von Aschau schloss sich zusammen, um die traditionelle Almbewirtschaftung fortzuführen.
Heute kommen die Besucher für einige Tage in die Chiemgauer Alpen, um Einkehr in den Bergen zu finden. Nach vier Tagen Ruhe – dem Himmel stets sehr nah – ist der Trubel an der Bergstation der Kampenwandbahn am Ziel der Wandertour sehr gewöhnungsbedürftig. Es braucht seine Zeit, wieder im Alltag anzukommen. Info-Kasten: Hüttentour in den Chiemgauer Alpen
Reiseziel: Wie ein langgezogenes Hufeisen verläuft die Route durch den westlichen Teil der Chiemgauer Alpen. Verbindung zwischen Start und Ziel in Hohenaschau ist die Kampenwandbahn. Gute Kondition und Trittsicherheit sind erforderlich. Eine Reservierung auf den Hütten ist empfehlenswert. Wanderzeit ist Mai bis Oktober.
Anreise: Der Startpunkt in Hohenaschau ist mit Bahn und Bus zu erreichen. Parkplätze befinden sich in Hohenaschau am Beginn des Weges oder an der Talstation der Kampenwandbahn.
Informationen: Tourist Info Aschau im Chiemgau, Kampenwandstr. 38, 83229 Aschau im Chiemgau (Tel.: 08052/904 90, www.aschau.de).
(dpa/tmn)