Louisville – Jede Reise braucht eine gute Geschichte, die man zu Hause erzählen kann. Und eine gute Geschichte braucht auch jeder gute Drink. Davon gibt es in Kentucky viele – Geschichten wie gute Drinks. Von hier stammen über 90 Prozent der weltweiten Produktion des Bourbon Whiskey.
Aber ausgerechnet hier kann man ihn oft nicht kaufen und öffentlich trinken. Wer durch den Bundesstaat im Süden der USA reist, kann also erzählen, wie er abends in Hotels ohne Bars landet, in ganzen Städten ohne Bars und in Restaurants ohne alkoholische Getränke auf der Karte. Wie er seinen nur wenige Kilometer entfernt gekauften Vorrat guten Bourbons in einer braunen Papiertüte über die Landkreisgrenze fährt und dann im Hotelzimmer mit den Mitreisenden einen guten Tropfen trinkt.
In
Kentucky hat beides Tradition – das Bourbon-Brennen und das Alkoholverbot. Die Mehrzahl der Landkreise gilt als trocken, genannt
«dry counties». Hier ist der Alkoholverkauf und -ausschank verboten. Und in vielen weiteren Landkreisen ist er eingeschränkt.
Das geht auf die Prohibition zurück: Von 1920 bis 1933 war es in den USA offiziell verboten, Alkohol herzustellen und zu konsumieren. Obwohl das Verbot fallengelassen wurde, bestanden viele Kreise weiter darauf. Bis heute. «Im Grunde könnten die Kreise das heute einfach so mit einer Abstimmung aufheben, aber das ist nicht ganz so einfach durchzusetzen», sagt Scottie Ellis vom Tourismusbüro Kentucky. Die Kirche ist dagegen – und die Gegend gilt als streng religiös.
In Clermont aber darf getrunken werden. Gerade hier ist das auch wichtig: In dem Ort steht die Destillerie des weltbekannten Jim Beam, einer von neun Stopps entlang des Bourbon Trails. Er führt quer durch den Bundesstaat, Destillerien laden zum Anhalten und Probieren ein.
Eine Tour durch die Fabrik von
Jim Beam führt vorbei an haushohen Kesseln, entlang langer Produktionsstraßen, über die tausende Flaschen dicht an dicht geschoben werden. Und es geht natürlich durch das Lager: Große Fässer stapeln sich bis zur Decke.
Hier erklärt Gästeführerin Megan Brier Besuchern den Unterschied zwischen Bourbon und schottischem Whisky namens Scotch – korrekt: in diesem Fall Whiskey ohne «e». Bourbon reift in neuen Eichenfässern. «Im warmen Sommer dehnt sich der Whiskey aus, er dringt in das Holz ein. Im kalten Winter zieht er sich wieder zurück – und nimmt die Geschmäcker des Holzes mit», sagt Brier. Daher ist ein Bourbon tendenziell im Abgang süßlicher, da die jungen Fässer stärkere Holztöne abgeben. Ein Scotch, der in gebrauchten Fässern lagert, hingegen schmeckt eher rauchig und erdig.
Die Destillerie spielt mit ihrer Geschichte, Touristen bekommen hier ein professionelles Programm geboten: Das Gründergebäude, Marke Holzbau, wurde nachgebaut, davor steht die Statue Jim Beams. Oldtimer-Busse fahren Besucher über das weitläufige Areal, und es gibt einen Verkaufsraum voller Souvenirs, von Grillsoße mit Bourbon bis zum T-Shirt mit Sprüchen wie «Real girls drink Bourbon».
Und die Tour durch die Werkshallen wird hier und da von speziellen Erlebnisstopps für die Touristen unterbrochen: Sie dürfen an Vorführungsgeräten selbst Hand anlegen, lassen Getreide aus einem Silo, fügen Wasser hinzu. Und natürlich öffnet die geführte Gruppe selbst ein Fass. «Es wird nicht ganz voll sein», warnt Brier.
Bourbon gehört für viele Einheimische trotz der traditionellen Alkoholverbote vielerorts einfach dazu. Und wenn es nur darum geht, Steaks darin zu marinieren, die es auch in vielen Restaurants gibt. Oder man serviert seiner Familie und den Freunden gute, altbekannte Südstaaten-Cocktails auf Bourbon-Basis – Touristen können sich die Rezepte von Colonel Michael Masters beibringen lassen.
Masters gibt Cocktailklassen und empfängt seine Gäste in einem alten Herrenhaus von 1787 in Bardstown, dem Kentucky Bourbon House. Der Colonel thront in einem breiten Sessel. Er strahlt so viel Autorität aus wie ein Südstaaten-Adeliger aus alten Filmen.
«Esst, trinkt», ruft er immer wieder und stört sich nicht daran, dass es gerade erst 10.00 Uhr morgens ist. «In Kentucky gehört Gastfreundlichkeit zum Charakter, Gäste brauchen gutes Essen und gute Drinks.» Das ist für ihn vor allem der Mint Julep mit Minze und Zucker. Der Cocktail wird traditionell auch beim weltbekannten Pferderennen, dem Kentucky Derby, serviert.
Kentucky ist während einer USA-Rundreise aber auch einen Abstecher wert, wenn man kein Whiskey-Fan ist. Man kann die langen Fahrstrecken gut und gerne auf mehrere Tage ausdehnen und immer wieder für Ausflüge unterbrechen: Für das Museum und die Produktionshallen der weltbekannten Automarke Corvette in Bowling Green zum Beispiel. Oder für die Mammoth Cave – die weitläufigste bekannte Höhle der Welt. Aber nicht zuletzt locken die jeweils neun Destillerien auf dem
Kentucky Bourbon Trail und einem Ableger, der
Bourbon Trail Craft Tour.
Die Bourbon-Karte umfasst in Kentucky oft ganze Seiten – und weit mehr als selbst gute Whiskey-Bars in Deutschland bieten können. Sogar bei den Verkostungen weltbekannter Destillerien finden sich nur in den USA erhältliche Edelgetränke – und die sind natürlich schöne Mitbringsel. Denn zu Hause soll man ja bei einem guten Drink die guten Geschichten von der Reise durch Kentucky erzählen können.
Kentucky
Anreise: Nonstop-Verbindungen nach Kentucky ab Deutschland gibt es nicht. Reisende erreichen Louisville mit Umstieg in den USA.
Einreise: Deutsche Urlauber brauchen kein Visum, müssen sich unter https://esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis besorgen (Esta). Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre lang.
Reisezeit: Kentucky kann vom Frühjahr bis Herbst besucht werden. Im Juli und August wird es recht warm, die Winter können sehr kalt sein.
Geld: Für einen Euro gibt es etwa 1,12 US-Dollar (Stand: September 2016). Das Bezahlen mit Kreditkarten wird fast überall akzeptiert.
Informationen: Kentucky Department of Travel and Tourism, Capital Plaza Tower 22nd floor, 500 Mero Street, Frankfort, KY 40601, Tel.: 001/800/225-8747.
(dpa/tmn)