Wer in Lagos vorwärts kommen will, sollte sich auf sechs Stunden Wartezeit gefasst machen.
Denn in der größten Stadt Nigerias herrscht Dauerstau: Bis zu sechs Stunden muss ein Berufspendler manchmal einfach nur auf den Straßen warten. Bis 1991 war die hupende Metropole noch die Hauptstadt in Nigeria und liegt an der Küste des Golfs von Guinea.
Mit ihren drei Häfen ist sie natürlich wirtschaftliches Zentrum und viele, viele Menschen erhoffen sich ihr kleines Stückchen vom Brot, wenn sie zu zehntausenden in die Stadt pilgern. Da wird dann auch gern einmal unter Brücken geschlafen bzw. wer ,,Glück“ hat, findet ein neues Zuhause in den hunderten herunter gekommenen Slums in der Stadt.
Hier lebt man im Müll. Die meisten Landflüchtigen verdienen ihr Geld damit, dass sie genau diesen durchwühlen und etliche Abreste einfach weiter verkaufen. Daneben stehen zum krassen Gegenzug prächtigste Villen mit privaten Hubschrauberlandeplatz. Lagos hat – wie beinahe ganz Nigeria – das „Resource Curse“ Problem, also leidet am Rohstofffluch. Das bedeutet nichts anderes, als dass natürliche Ressourcen vorhanden sind – beispielsweise Erdölvorkommen – diese aber nicht konstruktiv eingesetzt und genutzt werden. Trotzdem herrscht große Armut, da multinationale Konzerne Arbeiter ausbeuten, Mafia verdienen mit korrupten Geschäften ihr Geld, was natürlich die Kriminalitätsrate in die Höhe schießen lässt und manchmal endet das sogar in regelrechten Bürgerkriegen.
Keine andere Stadt hat wie Lagos diese extreme Zuwachsrate an Menschen. Bis zu 30.000 Menschen leben in bestimmten Stadtvierteln auf nur einem Quadratkilometer! Und seitdem die Müllentsorgung und die Trinkwasserversorung privatisiert worden sind, sind diese Systeme komplett zusammen gebrochen. Dreck und Krankheiten beherrschen die Straßen. Und die Politik hat bisher die Hände in den Schoß gelegt – erst in den letzten Jahren ist diese wieder aktiv geworden. Jetzt sollen die Slums saniert werden, viele ,,reiche“ Bewohner Lagos investieren in die Stadt – aus Selbstschutz, wie sie sagen.
Und als ob das nicht schon genug wäre, ist da noch der „brain drain“. Gut ausgebildete Leute gehen ins Ausland, da sie dort bessere Chancen und mehr Geld wittern. Eine Stadt, die nur noch gerade mal eben so zusammen gehalten wird und kurz vor dem Kollaps steht. Lagos zerrt an deinen Kräften, an deiner Energie und während sie aus allen Nähten platzt, quillt die Armut derart über, dass sie kaum unter Kontrolle zu bringen, sich ihren Weg durch die Slums bahnt bis hin zu den Superreichen, die zumeist die Flucht ergreifen – oder spenden. Was auch Zeit wird, denn ansonsten droht Lagos in seinem Chaos regelrecht zu ertrinken, so scheint es mir.
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