Sie ist die größte Stadt Brasiliens: São Paulo ist dennoch weltweit weniger bekannt und beliebt als die Hauptstadt Rio de Janeiro. Diese hat mit dem berühmten Karneval und den assoziierten Klischees dem Touristen und Südamerika- Interessieren einfach mehr zu bieten.
Dabei ist schon die Entstehungsgeschichte von São Paulo ungewöhnlich: 1554 wurde die Stadt von Jesuiten gegründet. Für die nächsten zweihundert Jahre existierte das Nest in relativer Bedeutungslosigkeit. 1711 wurde ihm aufgrund günstiger strategischer Lage das Stadtrecht verliehen. Dieser langen Isolation vom Rest Brasiliens folgte eine plötzliche Phase der Zuwanderung und des Booms, als ab 1880 klar wurde, dass das Umland perfekt für den Kaffee- Anbau geeignet war.
Nachdem sich São Paulo also gut dreihundert Jahre durch Landwirtschaft selbst ernährt und ansonsten ein beschauliches Dasein geführt hatte, wuchsen plötzlich die Kaffee- Plantagen aus dem Boden. Mit ihnen kamen massenhaft italienische Arbeiter und neue Einwohner in den Landkreis.
Um 1920 war die Stadt die führende Industrieregion von Brasilien. Ein erneuter drastischer Wechsel in der ökonomischen Ausrichtung zeichnete sich vor ein paar Jahren ab: Heutzutage ist São Paulo nämlich die führende brasilianische Dienstleistungs- Metropole, die Industrie indes verliert immer mehr an Bedeutung.
Aus dem dreihundert Jahre stillen Dörfchen ist in den letzten 150 Jahren eine Wirtschafts- Metropole geworden, die sich stets nach dem gerade vorherrschenden globalen Klima auszurichten scheint. Klar, dass eine derartig starke Orientierung am Markt ihre Schattenseiten mit sich bringt. Dem Neuling bietet sich das Bild eines Molochs, in welchem die Unterschiede zwischen Arm und Reich extrem und sinnlose Gewaltverbrechen an der Tagesordnung sind.
Die Favelas, São Paulos Armenviertel, sind für die Bürger der Ort geworden, an dem sich die Ursache allen Übels zusammenballt: Die Einwanderer und armen Leute werden oft als krimineller und mordener Haufen dargestellt. So entsteht eine Atmosphäre gegenseitiger Angst, gerade weil der Kontrast zu den Szenebezirken der Stadt so groß ist.
Abseits vom schlechten Image hat São Paulo kulturell einiges zu bieten: Die multikulturelle Zusammensetzung der Bürger schafft ein fruchtbares Klima für Künstler aller Art, in den Theatern finden viele Premieren und Uraufführungen statt. Restaurants, Bars und Clubs – in den richtigen Vierteln ist das Nightlife unheimlich aufregend.
Auch die Andersartigkeit der Stadt ist ein Anreiz, denn São Paulo ist sicherlich die am wenigsten brasilianische Stadt Brasiliens. Hier zu wohnen ist schwieriger als beispielsweise in New York oder London, aber für einen Urlaub bietet sich dieser Ballungsraum verschiedener Kulturen und Temperamente allemal an.
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