Monastir (dpa/tmn) – Die altislamische Festung von Monastir an der windigen Ostküste Tunesiens ist ein ideales Gelände für die vier Jungs in Sportklamotten. Sie hechten über alte Mauern und springen rückwärts von der zentralen Empore.
Im Innenhof üben sie ihre Saltos, einige tunesische Besucher gucken neugierig zu und klatschen. Ein Mitglied der Truppe filmt die Tricks mit einer GoPro-Kamera. Die Festung ist ein Paradies für Parkourläufer – und für Touristen.
Das Video der Parkour-Tricks wird später auf Youtube landen. «Wir wollen die wunderschönen Seiten Tunesiens zeigen», erklärt Taher Nouiri, der noch ganz außer Atem ist. Zusammen mit Anis Boukhris hat Nouiri im vergangenen Jahr
Tunisia Explore gegründet. Die beiden Studenten entdecken bekannte und abgelegene Sehenwürdigkeiten in ihrem Heimatland und stellen sie zur Schau – mit Parkour.
Spätestens seitdem James Bond in «Casino Royale» über Dächer und Kräne gehechtet ist, begeistert die Sportart weltweit Jugendliche. Die Videos von Tunisia Explore wurden bislang einige Tausende Mal auf Youtube geguckt. «Die Touristen müssen ermutigt werden, zurückzukommen», sagt der 22-jährige Nouiri aus Tunis.
Das hat das nordafrikanische Land bitter nötig: Die Urlauber haben Angst vor Terror und bleiben lieber in Europa. Am 26. Juni jährt sich das Attentat im Badeort Sousse, bei dem 38 Touristen getötet wurden. Es war nicht der einzige Anschlag in jüngerer Zeit – ein schwerer Schlag für ein Land, das stark vom Tourismus abhängig ist. Bereits nach dem Aufstand 2011 und dem Fall des Langzeitherrschers Zine el Abidine Ben Ali hatte die
Tourismusbranche stark gelitten.
Im ganzen Land ist die
Tourismus-Flaute zu sehen. Im Wüstenort Tozeur prägen geschlossene Hotels die Oasen-Landschaft. In der alten Hafenstadt Bizerta im Norden des Landes überragt das Beton-Skelett der neuen, aber nie fertig gebauten Marina die Altstadt. Und in der südlichen Stadt Zarzis nahe dem Urlaubsziel Djerba vertreiben junge arbeitslose Tunesier, die zuvor in den Hotels der Region angestellt waren, jeden Tag aufs Neue ihre Zeit in Cafés.
Der tunesische Staat versucht, das Terrorproblem in den Griff zu kriegen. Sicherheitsmaßnahmen im ganzen Land wurden erhöht. Bereits weit vor dem Badeort Sousse ist die erste Sicherheitskontrolle. In der Stadt sind Barrieren aufgebaut, die den Verkehr um die Hotels herum verlangsamen. Am Strand wachen zwischen leeren Liegestühlen, vereinzelten Touristen und joggenden Tunesiern dunkel gekleidete Sicherheitsleute. Trotzdem weisen
Deutschland und
andere Länder darauf hin, dass weitere Anschläge nicht auszuschließen sind.
Spätestens seit den Anschlägen im vergangenen Jahr ist klar, dass das alte Modell des All-Inclusive-Strandurlaubs in Tunesien ausgedient hat. Bereits zuvor gab es einige Anstrengungen, den Tourismussektor zu diversifizieren: Wüstensafaris im Süden, Wandern in Wäldern und Bergen, Kulturtourismus in den römischen und frühislamischen Stätten.
Darauf versuchen einige Tunesier verstärkt aufzubauen. Tunisia Explore zeigt Videos der beeindruckenden römischen Stadt Thugga oder den Schluchten von Kef Chgeg. Alternative Reiseanbieter wie
Engaging Cultures versuchen Touristen mit
Kulturangeboten und Besuchen bei einheimischen Berbern anzulocken.
Ob Projekte wie Tunisia Explore in dem schwierigen Klima des Terrorismus den Tourismus ankurbeln und das
Image Tunesiensaufpolieren können, ist fraglich. Die Tourismusministerin Selma Elloumi hatte zuletzt versichert, dieses Jahr gebe es Anzeichen der Erholung. Dem Verband der Reiseagenturen zufolge kommen vor allem immer mehr russische Touristen nach Tunesien: 400 000 werden in diesem Jahr erwartet, im Vergleich zu 50 000 im vergangenen Jahr.
Doch von ihnen ist die gewünschte Diversifizierung des Tourismussektors wohl nicht zu erwarten. Damit hat sich das nordafrikanische Land bereits vor dem Aufstand 2011 schwer getan. Nun ist es nicht einfacher. Berge, Kultur und Wüste statt Strand und Pool – der Imagewechsel Tunesiens ist ziemlich schwierig. Parkour-Sportler Taher Nouiri bleibt optimistisch: «Jedes Mal, wenn ich einen neuen Ort entdecke, verliebe ich mich mehr in Tunesien.»