Berlin – Beim Lesen reisen die Gedanken. In Corona-Zeiten ist das vielleicht besonders wertvoll, so kann zumindest die Fantasie auf Reisen gehen. Ganz ohne Gepäck kann man beim Lesen in andere Zeiten und Welten versinken, Abenteuer erleben und den Alltag vergessen.
Vielleicht ist jetzt der ideale Zeitpunkt, sich an die Bücher zu wagen, die schon lange darauf warten, gelesen zu werden? Zwölf Klassiker der Reiseliteratur:
Faszination Rom – Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise (1786-1788)
Schon von früher Jugend an träumt Goethe davon, Rom zu sehen. Doch erst in einer persönlichen Krise bricht er schließlich inkognito von Weimar nach Italien auf. Überwältig von der Kunst Roms und begeistert von der Natur Neapels kommt er während des eineinhalb Jahre dauernden Aufenthalts vor allem sich selbst näher. Goethes autobiografisches Werk – erst zwischen 1813 und 1817 aus Briefen und Tagebuch-Aufzeichnungen zusammengestellt – ist die weltbekannte Beschreibung einer Selbstfindung auf Reisen. (dtv, ISBN: 978-3-423-12402-7)
Lob der Freiheit – Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts (1826)
Ärger mit dem Vater und Sehnsucht nach der Ferne treiben einen jungen Müllerssohn in die Welt hinaus. Sein Weg führt ihn auf ein Schloss bei Wien und nach Rom. Doch erst nach seiner Rückkehr findet er sein Liebesglück. Eichendorffs romantische Novelle rebelliert gegen die Welt und lädt zum Träumen ein. Hat nicht fast jeder schon einmal daran gedacht, einfach loszuziehen und alle Pflichten hinter sich zu lassen? (Fischer, ISBN: 978-3-596-90011-4)
Utopische Weltreise – Jules Verne: In 80 Tagen um die Welt (1872)
Gemeinsam mit seinem Diener Passepartout bricht Phileas Fogg von London auf, um in 115 000 Minuten um den Erdball zu reisen. Moderne Technik und die Zeitverschiebung machen das scheinbar Unmögliche wahr. Die Route führt über Brindisi, Suez, Bombay, Kalkutta, Singapur, Hongkong, Shanghai, Yokohama, San Francisco, New York, Queenstown, Dublin und Liverpool nach London zurück. Obwohl die Städte nur so vorüberfliegen, geht von der amüsanten Beschreibung des Utopisten Jules Verne eine Faszination aus. Etliche Reisende hat der Roman bereits zur Nachahmung der Reiseroute inspiriert. (dtv, ISBN: 978-3-423-13545-0)
Deutschland im Spiegel – Mark Twain: Bummel durch Europa (1878/79)
Die Abenteuer von Tom Sawyer haben ihn weltberühmt gemacht. Kurze Zeit später bummelt Mark Twain auf einer Europa-Reise von Deutschland über die Schweiz bis nach Italien. Gespickt mit Landschaftsbeschreibungen und kleinen Anekdoten schildert er seine Beobachtungen und kommentiert Sitten und Gebräuche. Der «schrecklichen deutschen Sprache» widmete er sogar einen ganzen Absatz. Die Beschreibungen der Einheimischen und anderer Touristen sind ebenso ironisch wie unterhaltsam. (Diogenes, ISBN: 978-3257218800)
Russische Seele – Lou Andreas-Salomé: Russland mit Rainer. Tagebuch einer Reise mit Rainer Maria Rilke im Jahr 1900
Am Beginn des 20. Jahrhunderts reisen die in St. Petersburg geborene Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé und Rainer Maria Rilke für mehrere Wochen gemeinsam nach Russland. Sie besichtigen Moskau und Kiew, reisen per Schiff auf der Wolga und diskutieren soziale Fragen mit Leo Tolstoi. Die Tagebuchaufzeichnungen geben dem Leser einen tiefen Einblick in die russische Seele, der sich bis heute kaum ein Russlandreisender entziehen kann. (Deutsche Schillergesellschaft, ISBN: 978-3933679383).
Blick auf das Dach der Welt – Alexandra David-Néel: Mein Weg durch Himmel und Höllen. Das Abenteuer meines Lebens (1921)
Das Buch schildert die ungewöhnliche Reise einer unkonventionellen Französin, die schon in jungen Jahren von Asien und dem Buddhismus fasziniert ist. Nach Aufenthalten in Indien und Ceylon, China, Japan und Korea lebt die Gelehrte in der tibetischen Klosterstadt Kumbum, wo sie zur «Lampe der Weisheit» ernannt wird. Auf einem mehrwöchigen Fußmarsch durch Eis und Schnee gelingt es der Forschungsreisenden, vermutlich als erste Europäerin die verbotene Stadt Lhasa in Tibet zu betreten. Damit verschafft sie ihren Lesern einen Eindruck des tief religiösen Volkslebens der Tibeter. (Fischer, ISBN: 978-3596164585).
Lob der Lässigkeit – Stefan Zweig: Brasilien – Ein Land der Zukunft (1941)
Während in Europa der Zweite Weltkrieg wütet, reist Kosmopolit Stefan Zweig nach Brasilien. Kein anderes Land außerhalb Europas fasziniert den Schriftsteller so sehr wie der große südamerikanische Staat. Seinem Buch ist die Begeisterung für die natürliche Schönheit, die friedliche Lebensweise und Lässigkeit sowie die Offenheit und Toleranz der Menschen anzumerken. Auch die Prognosen, die der Autor aus damaliger Sicht für die Zukunft Brasiliens ableitet, sind beachtenswert. (Insel, ISBN: 978-3458335894)
Der Heimat auf der Spur – John Steinbeck: Die Reise mit Charley: Auf der Suche nach Amerika (1962)
Gemeinsam mit seinem Pudel Charley macht sich John Steinbeck auf eine Rundreise durch seine Heimat USA. Er fährt von Maine nach Seattle und über die Mojave-Wüste bis nach Texas. In elf Wochen besucht er 34 Bundesstaaten. Mit seinem Reisebericht lässt der amerikanische Erfolgsautor seine Leser an den ironischen Beobachtungen und skurrilen Begegnungen teilhaben, die er unterwegs gemacht hat. (dtv, ISBN: 978-3-423-13565-8)
Der Zauber Marokkos – Elias Canetti: Die Stimmen von Marrakesch – Aufzeichnungen nach einer Reise (1968)
«Indem Canetti beschreibt, wie er sich von Marrakesch faszinieren lässt, vermag er seinerseits zu faszinieren», lobte schon der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki die Reiseberichte des in Bulgarien geborenen Schriftstellers. Mit Gelassenheit und Neugier beschreibt der Autor in 14 Prosastücken sehr präzise, was er 1954 in der Stadt, in Souks und auf dem Kamelmarkt erlebte. Bei der Lektüre muss auch der Leser dem Zauber Marokkos erliegen. (Fischer, ISBN: 9783596221035)
Freiheit der Steppe – Bruce Chatwin: In Patagonien – Reise in ein fernes Land (1977)
Mit seinen tiefblauen Seen, kargen Steppen und den schneebedecken Gipfeln der Anden gilt Patagonien als ein beliebtes Ziel für Abenteurer. Im gleichnamigen Reisebericht schildert der britische Kunstexperte Bruce Chatwin die Eindrücke und Begegnungen seiner Reise durch den südlichen Teil Argentiniens. Auf den rund 5000 Kilometern, die der Brite binnen sechs Monaten zu Fuß zurücklegt, spürt er einsamen Gauchos und dem Gangsters Butch Cassidy nach. Dabei kommt Chatwin seinen Kindheitsträumen näher und erkennt seine Berufung als Schriftsteller. (Rowohlt, ISBN: 978-3-499-12836-3)
Abenteuer Afrika – T.C. Boyle: Wassermusik (1981)
Der amerikanische Autor erzählt die Geschichte des schottischen Entdeckungsreisenden Mungo Park, der Ende des 18. Jahrhunderts zwei Reisen unternimmt, um den Verlauf des Niger zu erkunden. Seine größtenteils wahre Geschichte wird dabei mit dem Schicksal des fiktiven Londoner Trickbetrügers Ned Rise verknüpft. Neben Einblicken in die damalige Londoner Gesellschaft zeichnet der mit kuriosen Begebenheiten gespickte Roman auch ein Panorama der exotischen Natur Afrikas. (dtv, ISBN: 9783423144124)
Erforschung der Arktis – Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit (1983)
Die Geschichte dreht sich um den englischen Seefahrers John Franklin (1786-1847), der nach einigen Seeschlachten den Großteil seines Lebens auf die Entdeckung der Nordwestpassage verwendet. Nadolny hat der historischen Figur ein fiktionales Profil gegeben, das eine subtile Zivilisationskritik beinhaltet. Denn sein Arktisforscher leidet unter einem verzögerten Wahrnehmungs- und Denkvermögen, das ihn für die moderne Zeit zu langsam erscheinen lässt. Sein Forscherdrang ist trotzdem nicht zu stoppen. Bei der dritten Expedition zur nördlichen Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik kommt er samt Crew im Ewigen Eis um. (Piper, ISBN: 9783492207003)
(dpa/tmn)