Das weiße Gold ist Segen und Fluch zugleich

Lüneburg – Salz sicherte Lüneburg über Jahrhunderte Wohlstand und Macht. Dank der weißen Kristalle gehörte es im Mittelalter mit bis zu 14 000 Einwohnern neben Hamburg zu den größten Städten Norddeutschlands, deutlich größer war nur Lübeck. In bis zu 216 Pfannen wurde an der Ilmenau das mit Salz gesättigte Grundwasser, die flüssige Sole, zu dem begehrten Gut verkocht.

Sülfmeistertage:

Sülfmeister wurden die Pächter der Siedepfannen genannt. Schon 1472 wurde das Fest erstmals urkundlich erwähnt, so wurde die Wahl neuer Salinen-Meister gefeiert. 2003 wurde es mit Wettkämpfen und Rahmenprogramm auf Dauer wiederbelebt. Dann dreht sich wie einst wieder alles um das Salz, wenn auch nur für wenige Tage. «Das Fest lockt jedes Jahr Tausende Besucher nicht nur aus der Region, sondern auch aus ganz Deutschland nach Lüneburg», sagt Julia Steinberg-Böthig von Lüneburg Marketing.

Blütezeit

Vor allem als Konservierungsmittel für Heringe, Fleisch, Butter und Käse war Salz jahrhundertelang begehrt. Fast tausend Jahre lang brachten die kilometertiefen Reste früherer Meere Lüneburg Reichtum und Einfluss. In der Stadt hatten lange nur die Sülfmeister das Sagen, ihre Familien stellten den Rat. «Das Besondere ist, dass man das Salz schon wenige Meter unter der Oberfläche findet», erklärt Historikerin Hilke Lamschus, Leiterin des Deutschen Salzmuseums in Lüneburg. Schon ab 38 Metern Tiefe werde man fündig. Über Lübeck wurde es in den ganzen Ostseeraum exportiert: «Die Saline lieferte, was auch die salzarme Ostsee und ihre Anrainer nicht bieten konnten – das weiße Gold.» Es gab in Lüneburg bis zu 54 Siedehäuser. «Das war der größte Industriebetrieb Nord- und Mitteleuropas in der vorindustriellen Zeit», sagt Lamschus.

Niedergang

Schon im 17. Jahrhundert ging es allmählich abwärts. Der Dreißigjährige Krieg traf den Ostseeraum schwer. «Zum Ende der Sülfmeister-Herrschaft trugen viel Faktoren bei», erklärt Lamschus. «Dazu gehörten etwa die zunehmende Konkurrenz durch Meersalz aus Frankreich und das Abwandern der Heringsschwärme.» Handwerker zogen in den Rat, der Landesherr gewann wieder mehr Rechte. Das Aus kam aber erst im 20. Jahrhundert mit der Ölkrise. Nach tausend Jahren schloss am 12. September 1980 in Lüneburg das letzte Siedehaus endgültig seine Tore.

Umweltfolgen

Schon früh hatte die Salzgewinnung gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. «Salinen werden als die Waldfresser des Mittelalters bezeichnet», meint Hilke Lamschus mit Blick auf das lange benötigte Feuerholz, das zeitweise sogar aus Mecklenburg geholt wurde. Dennoch: «Die Lüneburger Heide ist nicht durch die Saline entstanden», betont sie. Weite Teile dieser Kulturlandschaft seien in vor- und frühgeschichtlicher Zeit entstanden.

Senkungen

Bis heute hat auch die Stadt selbst am Salz zu tragen. Grundwasser fließt durch den Salzstock, Höhlen entstehen und der Boden sackt ab. Immer wieder werden Gebäude beschädigt, vor allem am Rand des sogenannten Senkungsgebietes. Einige mussten abgerissen werden. Mit dem bis 1980 gewonnenen Salz könnte man die Altstadt neun Meter hoch bedecken, hat Hilke Lamschus errechnet. Täglich wurden dafür einst 250 Kubikmeter Sole und mehr nach oben gepumpt. «Die Menge muss ja irgendwo herkommen», erklärt sie. «Das Salz hat zwar Reichtum gebracht, aber ist so auch zum Fluch geworden – über den Tag hinaus, ein Ende ist nicht abzusehen.»

«Mit dem Ende der Soleförderung hat der Boden nicht aufgehört zu arbeiten, die Prozesse im Untergrund laufen weiter», sagt Stadtsprecherin Suzanne Moenck. Über die Jahrzehnte habe es verschiedene Schwerpunkte im Senkungsgebiet gegeben. «Wir können die Senkungen und Hebungen nicht vorhersagen, wir können die Veränderungen nur so eng wie möglich beobachten und auswerten», betont sie. «Das ist eine laufende Aufgabe.»

Museum

Das Deutsche Salzmuseum wurde im letzten Siedehaus Lüneburgs eingerichtet und 1989 eröffnet. Bis heute ist dort unter anderem die letzte der eingesetzten Pfannen zu sehen, höchst anschaulich werden die Besucher über die Bedeutung des Salzes informiert. «Salz ist einer der fünf wichtigsten Rohstoffe in der Chemie», betont Lamschus. «Das Museum soll als nationales Projekt des Städtebaus saniert und mit Bundesmitteln gefördert werden», sagt sie nicht ohne Stolz. Dank des Museums gibt es auch wieder echtes Salz aus Lüneburg, wenn auch nur in kleinen Mengen. In einer Siedehütte zeigt ein Salzsieder, wie es früher produziert wurde. In kleinen Gläschen wird es den Besuchern angeboten. «Es ist ganz reines Salz ohne Zusätze und als Lebensmittel geeignet», wirbt Lamschus.


(dpa)

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