Berlin – Die Zeiten von Postkarte aus Papier scheinen vorbei zu sein. Stattdessen werden Bilder von der Reise gleich in Echtzeit in sozialen Netzwerken geteilt. Die Botschaft: Schaut, wo ich gerade bin und wie toll es mir geht!
Vor allem Instagram ist eine beliebte Plattform für die visuelle Inszenierung von Urlaubsglück. Reiseziele, Städte, Strände und Hotels werden zunehmend nach ihrer «Instagramability» ausgesucht werden, wie Julia Sonnemann von der Messe Berlin vor der
Reisemesse ITB (6. bis 10. März) erklärt.
Manche Orte werden besonders häufig für Instagram fotografiert, in Deutschland zum Beispiel das Brandenburger Tor oder das Schloss Neuschwanstein. Dort steht man sich aber ziemlich sicher mit anderen knipsenden Urlaubern auf den Füßen und produziert Fotos, die austauschbarer nicht sein könnten. Warum also nicht die Perspektive wechseln? Eine Übersicht viel fotografierter Orte und sehenswerter Geheimtipps als Alternative – auch für Instagram:
– Kölner Dom: Unter #kölnerdom finden sich mehr als 320.000 Fotos auf Instagram. Beliebte Ausschnitte: Am rechten Rheinufer vor Hohenzollernbrücke und Dom posen, oder das mächtige Bauwerk mit den beiden mehr als 157 Meter hohen Türmen frontal von der Domplatte aus fotografieren. Tatsächlich lohnt ein Gang in die Kirche.
Ein Blickfang, der allerdings nur bei Sonnenlicht seine volle Wirkung entfaltet, ist das
mit bunten Quadraten gesäumte Fenster, das der Künstler Gerhard Richter entworfen hat. Es befindet sich im südlichen Querhaus des Doms, besteht aus mehr als 11.000 Quadraten und verteilt sich auf 106 Quadratmeter Fläche.
Und wer am Haupteingang genau hinschaut, findet die Figur von Papst Franziskus. Der kleine Pontifex schaut seit Herbst 2018 auf die Besucher herab und hebt sich durch seine vergleichsweise weiße Farbe gut sichtbar von den anderen Statuen ab.
– Reeperbahn: Von der Hamburger Vergnügungsmeile gibt es viele Aufnahmen auf Instagram, unter #reeperbahn knapp 250.000. Häufig gezeigt werden Partylocations und leicht bekleidete Menschen. Wer es weniger obszön und dafür hipper mag, zieht zum Feiern ins Schanzenviertel, ein guter Kilometer Fußmarsch nördlich. Am meisten los ist auf dem Schulterblatt, wo auch das bekannte autonome Zentrum Rote Flora liegt. Fotomotive bieten sich in der Schanze reichlich.
– Sanssouci: Majestätisch erhebt sich das Schloss Sanssouci in Potsdam über malerischen Weinbergterrassen. Klar, dass genau dieses Motiv unter #sanssouci am häufigsten zu finden ist. Dabei bietet die Parkanlage noch viel mehr fotogene Orte. Rund um das Orangerieschloss zum Beispiel herrscht mit den Sizilianischen Garten und romantischen Wegen, Treppen und Brüstungen südländisches Flair, wie Elvira Kühn von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten erläutert.
– Nürburgring: Die grüne Hölle ist legendär. So nannte Rennfahrer Jackie Stewart einst die knapp 21 Kilometer lange Nordschleife des Nürburgrings in der Eifel. Die Rennstrecke bietet viele Orte, um das rasante Treiben zu beobachten. Auf dem Hatzenbach, vom Parkplatz D10 erreichbar, blicken Besucher von einem Hügel auf eine Streckenpassage mit zwei aufeinander folgenden S-Kurven, wie Pressesprecher Alexander Gerland erklärt. Gut ins Bild bekommt man die Fahrzeuge im Abschnitt Wehrseifen, dem langsamsten Teil der Rennstrecke. Der ist über eine Treppe an der Brücke, welche in Breidscheid über die Hauptstraße führt, erreichbar. Unter #nürburgring gibt es 538.000 Beiträge.
Und wer selbst einmal über die Nordschleife brettern will? Die ist ab Ende März fast täglich geöffnet für Touristenfahrten. Informationen gibt es unter www.greenhelldriving.nuerburgring.de. Ambitioniertere Fahrer können spezielle Trainings unter Anleitung absolvieren.
– Brandenburger Tor: Das Brandenburger Tor ist ein ausgesprochen ästhetisches Bauwerk – und damit ein beliebtes Fotomotiv. Mehr als 450.000 Beiträge gibt es unter #brandenburgertor. Die meisten sehen ähnlich aus. Fotografiert wird es meist vom Pariser Platz in Richtung Westen. Wer etwas näher herantritt, kann sich auf kaiserliche Spuren begeben. «Der mittlere Durchgang war bis 1918 nur für die Ein- und Ausfahrt der königlichen und später kaiserlichen Familie offen und für das Volk tabu», erklärt
Stadtführer Markus Müller-Tenckhoff.
Das Brandenburger Tor erfüllte lange Zeit eine ganz praktische Funktion: Es ist das letzte noch erhaltene der ehemals 18 Stadttore Berlins und war Teil der früheren Stadtmauer. Den Spuren dieser alten Befestigungsanlage kann man mit einem Spaziergang zum Potsdamer Platz und weiter zum Anhalter Bahnhof folgen. «Nicht weit von der Ruine des alten Bahnhofs dort ist auf dem Mittelstreifen der Stresemannstraße ein Stück alte Stadtmauer rekonstruiert.»
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Autostadt: Unter dem gleichnamigen Hashtag finden sich 81.000 Beiträge auf Instagram. Da es sich vor allem um ein Auslieferungszentrum handelt, sind auf den Fotos viele VW-Neuwagen, die Käufer dort abholen, zu sehen oder die futuristischen Glastürme, in denen mehrere hundert Fahrzeuge stehen.
Dabei sollte man die interessante Geschichte der Stadt nicht vergessen: Wolfsburg wurde 1938 als Sitz der Volkswagenwerke gegründet. Am Reißbrett wurde eine Stadt für bis 90.000 Arbeiter geplant. Die Historie lässt sich zum Beispiel im Wohnquartier Die Höfe im Stadtzentrum nachvollziehen. Die Keimzellen der Gründung seien dort in hervorragender Qualität abzulesen und zu erleben, wie es in einem Papier der Stadt heißt. Vor dem Hauptbahnhof erinnert eine Bronze-Plastik an die italienischen Einwanderer, welche die Stadt seit den 1960er Jahren geprägt haben.
– Kö: Einer der bekanntesten Einkaufsstraßen der Republik ist die Königsallee in Düsseldorf. Die Kö ist ein beliebtes Fotomotiv, unter #kö (mehr als 81.000 Treffer) finden sich auf Instagram schicke Menschen und teure Sportwagen. Doch die Prachtstraße ist mehr als nur Luxusladen an Luxusladen. Am nördlichen Ende der Kö befindet sich mit dem Hofgarten ein Ruhepol im Shopping-Trubel. Neben Enten im Weiher gibt es dort einen überdimensionalen Nagel zu sehen. Das meterhohe Kunstwerk steht vor dem Kö-Bogen nahe dem Hofgarten.
– Neuschwanstein: Bauherr König Ludwig II. erlebte die Einweihung seines Prachtschlosses im Allgäu nicht mehr. Er starb sieben Wochen zuvor im Jahr 1886. Heute wird Neuschwanstein jedes Jahr von mehr als einer Million Menschen besucht. Instagram-Touristen erwartet aber ein Dämpfer: Im Schloss besteht größtenteils Fotoverbot. Doch am beliebtesten ist ohnehin die Außenansicht: Der am meisten besuchte Selfie-Punkt sei die Marienbrücke, die im Winter unter Umständen aber gesperrt sein kann.
Vor zu viel Wagemut auf der Suche nach dem perfekten Motiv rät Ines Holzmüller von der Bayerischen Schlösserverwaltung eindringlich ab. «Das weitere Umfeld des Schlosses ist hochalpin.» Auf dem Balkon des Schlosses bietet sich eine Panorama-Aufnahme mit Alpsee und Schloss Hohenschwangau im Hintergrund an. Mehr als 300.000 Beiträge gibt es auf Instagram unter #neuschwanstein.
– Zwinger: Neben Semperoper und Frauenkirche gehört der
Zwinger zu Dresdens berühmtesten Wahrzeichen – auf Instagram unter #zwinger ist er mehr als 65.000 Mal zu finden. Weil dort generell sehr viel gebaut werde, seien die Motive oft eingeschränkt, erklärt Ulrike Peter vom Schlösserland Sachsen. Beliebt als Motiv sei etwa das Kronentor mit der zwiebelförmigen Kuppel. Wer den Zwinger für sein Instagram-Profil etwas anders in Szene setzen möchte, kann zum Beispiel eine der zahlreichen Fassadenverzierungen im Detail ablichten.
– Schloss Heidelberg: Über der Stadt thront das Schloss Heidelberg. Auf vielen der fast 50.000 unter #heidelbergcastle angezeigten Bilder liegt das Schloss im Hintergrund, oder jemand posiert an der Brüstung des Bauwerks, unter der sich Neckar und Altstadt erstrecken. Nur für ein Panoramabild sollte man die Ruine nicht besuchen. Dafür gibt es zu viel zu entdecken, zum Beispiel die Figur des liegenden Vater Rhein auf der Hauptterrasse im Schlossgarten.
Oder den Maltesergraben, wo ein Rundweg hindurch führt und zwei geologische Schichten aufeinandertreffen – 340 Millionen Jahre altes Granit aus dem Erdaltertum und 290 Millionen Jahre alte Schuttströme aus der Permzeit. Das sei sehr selten, erklärt Frank Thomas Lang von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg. «Kaum einer weiß, dass Schloss Heidelberg nicht nur ein berühmtes Bauwerk ist, sondern auch auf einer absoluten geologischen Rarität steht.»
(dpa/tmn)