Berlin – Ein paar Minuten können schon zu viel sein: Kommt der ICE zu spät, ist der Anschlusszug weg, und man wartet eine Stunde oder mehr auf dem Bahnsteig. Wegen solcher Ärgernisse muss die Bahn ihren Kunden immer höhere Entschädigungen zahlen.
Im vergangenen Jahr waren es im Nah- und Fernverkehr insgesamt 53,6 Millionen Euro, wie eine Bahn-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte. Im Vorjahr ließen sich Bahn-Kunden 34,6 Millionen Euro erstatten.
Immer mehr Reisende nehmen ihre Rechte wahr: 2,7 Millionen füllten im vergangenen Jahr das
Fahrgastrechte-Formular aus, 50 Prozent mehr als 2017. Auch die durchschnittliche Entschädigungssumme steigt: Knapp 20 Euro waren es 2018, im Vorjahr noch gut 19 Euro.
Zahlreiche Eisenbahn-Unternehmen sind am Entschädigungssystem beteiligt, nicht nur die Deutsche Bahn. Der weitaus größte Teil der Summe betrifft aber üblicherweise den Fernverkehr, den fährt fast nur der Staatskonzern.
Jeder vierte Fernzug kam 2018 zu spät. Die Bahn verwies auf viele externe Einflüsse: Stürme, Starkregen, Blitzeinschläge und Trockenheit bremsten die Züge aus. Hinzu kam eine Streckensperrung nach dem Brand in einem ICE und ein Warnstreik im Dezember.
Bei der
Entschädigung gilt: Kommt der Reisende mindestens eine Stunde zu spät, erhält er auf Antrag ein Viertel des Fahrpreises zurück. Ab zwei Stunden ist es die Hälfte.
Das gilt seit dem Sommer 2009. Seither steigt die Zahl der Anträge. Von Juli 2009 bis Juni 2010 hatte sich noch 800.000 Fahrgäste an das
Servicecenter Fahrgastrechte gewandt. Die meisten Eisenbahn-Unternehmen sind daran beteiligt. Kunden müssen meist nur einmal das zweiseitige Formular abschicken, auch wenn sie mit mehreren Zugbetreibern unterwegs waren.
Künftig können sich geschädigte Kunden vielleicht noch mehr Geld zurückholen. Das EU-Parlament fordert, dass schon ab einer Stunde die Hälfte des Fahrkartenpreises fällig wird, ab eineinhalb Stunden dann drei Viertel. Bei mehr als zwei Stunden soll nach dem Willen der EU-Parlamentarier der volle Preis erstattet werden.
Verbraucherschützer fordern seit Jahren eine Möglichkeit für Kunden, ihre Rechte auch online geltend zu machen. «Dass Geschädigte das Fahrgastrechte-Formular ausdrucken und per Briefpost zusenden müssen, ist nicht mehr zeitgemäß, sondern geradezu antiquiert», sagte Verkehrsexpertin Marion Jungbluth dem «Handelsblatt». Sie vermutet, dass die Kunden dann deutlich häufiger ihr Geld zurückfordern würden.
Nicht nur die Kunden verlangen Geld zurück, wenn die Bahn unpünktlich ist. Im Regionalverkehr kürzen die Besteller die vereinbarten Zahlungen, wenn die Unternehmen dem Fahrplan hinterher fahren. Allein der Deutschen Bahn entgehen so Jahr für Jahr mehr als 200 Millionen Euro. Sie hat im Regionalverkehr etwa 70 Prozent Marktanteil.
Die Entschädigungen schmälern damit den Gewinn, der 2017 bei einem Umsatz von 42,7 Milliarden Euro noch bei 765 Millionen Euro lag; Zahlen für 2018 werden im März veröffentlicht. Zur Einordnung: Ein neuer ICE kostet knapp 40 Millionen Euro.
(dpa)