Canberra – Alle Jahre wieder kommt es auf der kleinen Insel Christmas Island im Indischen Ozean zu einem einzigartigen Naturschauspiel. Wenn die Regenzeit beginnt, wie jetzt gerade, setzen sich in den Wäldern der Weihnachtsinsel viele Millionen knallroter Krabben zu einem langen Marsch in Bewegung.
Ihr Ziel: das Meer. Dort machen sich die Männchen mit Salzwasser frisch und geben sich dann einem etwas merkwürdigen Paarungsverhalten hin. Auf dass nächstes Jahr das Schauspiel wieder beginnt.
Touristenspektakel auf Christmas Island
Die Wanderung der
Weihnachtsinsel-Krabbe (Gecarcoidea natalis) – so der wissenschaftliche Name – ist inzwischen ein Touristenspektakel. Viele Naturliebhaber fliegen eigens auf die Weihnachtsinsel, um den Panzerträgern auf ihrem Weg zuzuschauen. Ein Großteil kommt aus Australien, wozu Christmas Island gehört, obwohl der Kontinent mit 1500 Kilometern viel weiter weg ist als Java. Bis zu der indonesischen Insel sind es aber auch noch 300 Kilometer.
Krabben sind auf
Christmas Island deutlich in der Überzahl. Hier leben gerade einmal 1350 Menschen. Die Zahl der Weihnachtsinsel-Krabben hingegen wird auf 45 bis 80 Millionen geschätzt. Genau weiß das niemand. Der Krabben-Experte Peter Green von der La Trobe University in Melbourne sagt: «Das sind so viele, dass sie das Ökosystem der Insel dominieren.» Zwei Drittel der Insel, dichter Regenwald, stehen unter Naturschutz.
Wer und was den Anstoß gibt, damit sich die roten Krabben wie auf Kommando in Bewegung setzen, haben die Forscher noch nicht herausgefunden. Man weiß aber, dass es richtig – nicht nur ein bisschen – regnen und der Boden sehr nass sein muss. In der Regel geht ein erfahrenes Männchen voran. «Die folgen einfach ihrem Instinkt», sagt
Nationalpark-Ranger Rob Muller. «Das machen die seit Millionen Jahren so und haben es zur Perfektion gebracht.»
Aus den Wäldern zum Meer
Auf ihrem Weg lassen sich die tellergroßen Krebstiere von natürlichen Hindernissen nicht aufhalten. Mit ihren zehn rundum beweglichen Gliedmaßen überwinden sie Wurzeln ebenso wie Felswände und Hausmauern. Gelaufen wird nur tagsüber. Nachts ist Pause. Im Schnitt legen sie 1,5 Kilometer pro Tag zurück. Für den Weg aus den Wäldern zum Meer – fünf bis sieben Kilometer – brauchen sie also mehrere Tage.
Natürliche Feinde haben sie eigentlich nicht, abgesehen von einer Ameisenart, die Gelbe Spinnerameise (Anoplolepis gracilipes), die in den 1990er Jahren wahrscheinlich von einem Schiff aus Afrika eingeschleppt wurde. Sie kann mit ihrem Gift die Augen der Krabben verätzen, so dass sie erblinden und sterben. Normalerweise werden Weihnachtsinsel-Krabben 15 bis 25 Jahre alt.
Gefahr droht auch vom Menschen, vor allem von Autos. Immer wieder kommen Krabben auf dem Weg zum Meer unter die Räder. Inzwischen hat man entlang der wichtigsten Strecke eigens für sie einen fünf Kilometer langen Zaun gebaut, Unterführungen und sogar eine Brücke. Trotzdem gibt es immer wieder viele tote Krabben, Zehntausende sogar.
Sex on the Beach
Wenn die Landkrabben am Meer angekommen sind, bespritzen sie sich zunächst einmal mit Wasser. Dann buddeln die Männchen Höhlen für die Paarung, die sie gegen Rivalen verteidigen. «Das ist der einzige Moment, in dem sie ein bisschen aggressiv werden können», sagt Green. Die Weibchen kommen meist etwas später. Wenn sich zwei gefunden haben, findet in der Höhle die Paarung statt: Sex on the Beach.
Anschließend wandern die Männchen wieder in den Wald zurück. Die Weibchen ziehen nach einiger Zeit ans Meer und überlassen die befruchteten Eier – Zehntausende – dem Wasser. «Was dann im Meer passiert, wissen wir auch nicht genau», sagt Green. «Manchmal kommen enorme Mengen an Babykrabben zurück, aber nicht immer.» Vermutet wird, dass dies vom Wetter abhängig ist, von Strömungen, von der Wassertemperatur. Zudem sind Haie und andere Fische auf der Suche nach Nahrung.
Wer übrig bleibt – die Jungtiere, die aus den Eiern schlüpfen -, macht sich jedenfalls auf dem Weg der Vorfahren zurück, nur in entgegengesetzter Richtung. So geht das auf Christmas Island seit Millionen Jahren. Nächstes Jahr wieder.
(dpa)