Berlin – Was Overtourism bedeutet, haben viele USA-Urlauber schon erlebt, wenn sie sich in lange Warteschlangen eingereiht haben. Das Land ist zwar riesengroß, aber manchmal ballt sich der Ansturm an einzelnen Orten. Die Nationalparks wollen versuchen, das Gästeaufkommen besser zu steuern.
Für die Nationalparks Zion und Arches im Bundesstaat Utah werde ein neues Online-Reservierungssystem geprüft, erklärte Kent Logsdon, Geschäftsträger der US-Botschaft in Berlin, auf der
Reisemesse ITB (7. bis 11. März).
Zu bestimmten Jahreszeiten könnte es in einzelnen Parks dazu kommen, dass eine vorab getätigte Reservierung der einzige Weg ist, der einen Zutritt zum Park garantiert, sagte Alexandra Picavet vom US National Park Service dem dpa-Themendienst. Die Reservierung werde zwar nicht verpflichtend sein – es könne dann aber passieren, dass Gäste ohne Reservierung zu manchen Tageszeiten nicht in einen Park hineinkommen, wenn während der Hochsaison schon viele andere Touristen dort sind. Im Sommer 2018 werde es möglicherweise einen Pilotbetrieb in Zion und Arches geben. Größere Änderungen seien aber erst 2019 zu erwarten.
Der National Park Service verwaltet
417 Parks und historische Stätten in den USA. 385 davon zählen Besucher. 2017 waren es insgesamt mehr als 330,8 Millionen Menschen, die zusammen 1,44 Milliarden Stunden in diesen Parks verbrachten. In den USA ist bereits die Rede davon, die Nationalparks würden «zu Tode geliebt», wie es US-Innenminister Ryan Zinke Ende Februar bei der Vorlage der Statistik 2017 ausdrückte. In den Zion National Park etwa kamen 2017 gut 4,5 Millionen Besucher.
Das mögliche Reservierungssystem sei vor allem für Parks denkbar, die wie Arches und Zion nur wenige Zufahrtsmöglichkeiten besitzen, sagte Picavet. Die Nationalparks sollten «natürlich und schön bleiben, und da ist es schlecht für die Umwelt, wenn man 90 Minuten im Auto sitzt und im Stau vor dem Eingangstor wartet». Schon heute ist es in vielen Parks wegen des hohen Andrangs sinnvoll, bestimmte Aktivitäten wie Touren oder Zeltplätze und Campingmobile-Stellplätze zu reservieren.
Deutsche Reiseveranstalter sehen die Entwicklung skeptisch, weil sie spontanes Reisen von A nach B zum Beispiel mit Wohnmobilen oder Mietwagen etwas komplizierter machen könnte.
Aktuell beschäftigt die Anbieter jedoch eine andere Frage noch mehr: Wie viele Deutsche werden 2018 in die USA reisen? Auf der ITB sorgten Zahlen, die der Deutsche Reiseverband (DRV) verbreitete, unter den US-Ausstellern für Unruhe. Unter Berufung auf Auswertungen der Marktforscher der GfK hieß es da, die deutschen Reiseveranstalter verzeichneten beim USA-Umsatz für den Sommer ein Minus von 20 Prozent. Laut DRV-Sprecher Torsten Schäfer war der Stichtag für diese Auswertung Ende Januar.
Allerdings sind die Deutschen beim Buchen von USA-Reisen diesmal eher spät dran. In den letzten Monaten des Jahres 2017 habe es in der Tat weniger Buchungen als sonst gegeben, sagte Tilo Krause-Dünow, Chef des Veranstalters Canusa und Vorstandsmitglied im Visit USA Committee in Deutschland. Als Gründe für die Zurückhaltung in jener Zeit nannte er die Brände und Hurrikans in den USA im Sommer, die Pleite der Air Berlin und das Massaker von Las Vegas, wo ein Schütze 58 Besucher eines Musikfestivals tötete. Inzwischen gingen die Buchungen für den Sommer aber deutlich in die Höhe, und für sein Unternehmen rechne er am Ende des Jahres mit einer Zahl der USA-Reisenden wie im Vorjahr.
Auch der günstiger gewordene Dollarkurs, der zuletzt bei etwa 1,23 für einen Euro lag, könnte manche Reiseentscheidung noch in Richtung USA beeinflussen. Die Nebenkosten für Reisende vor Ort seien aktuell gering, zitiert die Messeausgabe der Touristikfachzeitschrift «fvw» den Tui-Manager Robin Brückner. Auch die Marketingorganisation Brand USA rechnet daher mit «ziemlich starker Nachfrage aus Deutschland», sagte Brand-USA-Chefstrategin Anne Madison dem dpa-Themendienst. «Wir sehen einen Zuwachs von zwei bis vier Prozent.» Auch das Ende der Air-Berlin-Nonstopflüge in die USA wirke sich nicht negativ aus.
«Die Leute finden ihre Wege», sagte Martin Walter, der in Deutschland die Tourismusämter von Massachusetts und Kalifornien vertritt. Für den Westküstenstaat fallen zwar im Sommer 2018 die bisherigen «und oft preisgünstigen» Air-Berlin-Flüge von Düsseldorf und Berlin nach San Francisco und Los Angeles weg, aber dafür komme zum Beispiel eine Lufthansa-Verbindung zwischen Frankfurt/Main und San Diego neu hinzu.
Brand USA entwickelt gerade zusammen mit den Reiseveranstaltern neue Routenvorschläge für Pauschalpakete, die neben viel besuchten Orten wie San Francisco, New York, Las Vegas und Florida auch weniger bereiste Ziele einschließen. Auch dies ist der Versuch, etwas gegen Overtourism zu unternehmen. Es seien aber auch Angebote für Reisende, die schon mehrfach in den USA waren, sagte Krause-Dünow. Hotspots wie San Francisco und der Yosemite-Nationalpark werden dann zum Beispiel mit Nord-Kalifornien, der Küste Oregons und dem Crater Lake Nationalpark kombiniert – und die Besucher besser über das Land verteilt, ohne dass es dafür ein Online-Reservierungssystem braucht.
(dpa/tmn)