Belém – Dieser Markt, diese Farben. Orangene Pupunhas, rote Litschi, lilafarbene Acai-Beeren. Thiago Castanho ist hier bekannt, auf dem Markt in der Amazonasmetropole Belém, im Norden Brasiliens. «Die Zutaten aus dem Amazonas sind unvergleichlich», sagt Castanho, einer der neuen Star-Köche in Südamerika.
Es wird derzeit viel über den weltweiten Siegeszug der peruanischen (Fisch)-Küche geredet. Auch in europäischen Metropolen macht ein Restaurant nach dem anderen auf, das etwa Ceviche, rohen Fisch in Limettensaft, mit geröstetem Mais, Süßkartoffeln und Chili anbietet. In Lima haben Kochschulen Zulauf. Kochen heißt dort sozialer Aufstieg. Bei den 50 besten Restaurants Lateinamerikas belegen mit dem «Maido» und dem «Central» aktuell zwei aus Lima die Top-Plätze.
Ein Nischendasein fristet bisher die Amazonasküche. Dabei ist der Regenwald ein unerschöpfliches Reservoir, an Fischen wie Früchten und Gemüse. Castanho, 30 Jahre alt, ist Sohn eines Fischers, der auch schon als Koch gearbeitet hat. Bereits mit 12 half er dort mit. «Es ist letztlich ein Handwerk», sagt er. Und er liebe die Amazonasregion – Er will kulinarisch den Reichtum sozusagen auf den Teller bringen.
Heute zählt er zur Spitze in Brasilien, die «New York Times» adelte ihn als einen der innovativsten Köche Brasiliens. Er hat eine TV-Show («Cozinheiros em Ação»; zu deutsch «Köche in Aktion») und in seinem Namen werden in der Luft Menüs für betuchte Flugkunden angeboten.
Aber am wohlsten fühlt er sich auf dem Markt oder in der Küche seines Hauptrestaurants. 80 Leute umfasst sein Team. Zu einem Mittag- oder Abendessen im «Remanso do Bosque» in Belém kommen Gäste aus Rio de Janeiro und São Paulo eingeflogen. 800 Kilogramm Fisch werden pro Woche verarbeitet. Etwas Besonderes sind die orangenen Pupunhas, die Früchte der sogenannten Pfirsichpalme, die Castanho in Rekordtempo schälen kann. Sie sind reich an Proteinen und können zu Beilagen genutzt oder auch zu einem besonderen Öl verarbeitet werden.
Obwohl das «Remanso do Bosque», zu deutsch «Auszeit im Wald», an diesem Mittag voll ist, herrscht in der Küche keine Hektik. Jeder weiß, was er zu tun hat. Gut gegrillt wird zum Beispiel der Amazonasfisch Tambaqui serviert, zu deutsch Mühlsteinsalmler, er kann über 25 Kilogramm schwer werden und hat beachtliche Knochen. Er wird serviert mit orangenem Kürbismus und Schlangenbohnen (Feijão Caupi).
Ein weiterer gefragter Fisch: Piracuru in Kokosmilch, mit in Kokosöl frittierter Banane. Bei den Vorspeisen gibt es kleine Fischburger mit Brot gemacht aus den Acai-Beeren, die als besonders nährstoffreich gelten und eine Spezialität des Amazonas sind. Oder Tapioca-Plätzchen aus Maniokwurzelmehl, gefüllt mit geräuchertem Piracuru-Fisch und Büffelkäse aus Marajo, einer von Büffeln bevölkerten Amazonasinsel.
Als Aperitif empfiehlt sich ein Jambú Sour. Castanho lässt einen eigenen Cachaça, Zuckerrohrschnaps, produzieren – mit Jambú, einer Pflanze aus dem Amazonas. Sie hinterlässt ein leicht taubes Gefühl im Mund, die Mischung ist ein sehr besonderes Geschmackserlebnis. Der Cachaça wird gemischt mit Limette, Eischaum und Angostura Bitter. Die Weinkarte ist erlesen, aber hier müssen es dann doch eher die Chilenen und Argentinier sein. Das Amazonasgebiet bietet vieles, aber zum Weinanbau ist es hier dann doch etwas zu heiß und feucht.
Das Ambiente dagegen ist optimierungsfähig, die Einrichtung wirkt etwas von der Stange, aber es geht ja auch primär ums Essen. Als die Mittagsgäste gegangen sind, sagt Castanho in gebrochenem Deutsch: «Ick möchte een Bier.» Auch das lässt er selbst brauen, ein helles und ein dunkles. So wie er im Amazonasgebiet auch den Kakao für seine Schokolade selbst aussucht. Er liebt den Wald, das Kombinieren bisher kaum bekannter Zutaten. Aber auch wenn er ab und an in Städten wie Kopenhagen oder Berlin seine kulinarischen Ideen präsentiert: Diese Küche lasse sich nicht so wie die peruanische einfach exportieren.
Die Fische, die Früchte und das Gemüse aus den Weiten des Amazonas sind in Europa nicht so einfach zu bekommen, alles müsste verschifft werden. «Denn diese Zutaten, die gibt’s nur hier», sagt Castanho.
(dpa)