Monument Valley – Die ersten Sonnenstrahlen verwandeln aufragende Schatten in rot glühende Sandsteinfelsen, die wie Nadeln in den Himmel ragen. Der Tag erwacht im Monument Valley Navajo Tribal Park, der sich von Arizona bis
Utah erstreckt.
Einige Touristen sind schon wach und genießen das morgendliche Schauspiel inmitten einer der berühmtesten Landschaften der
USA. John Wayne schoss und ritt hier für etliche Western.
Harry Nez trägt einen Cowboyhut auf seinem vollen grauen Haar und blickt in die aufgehende Sonne: «Ich genieße dieses Wunder fast jeden Morgen.» Der Tourguide zeigt zwei Schweizern nicht ohne Stolz die Fotos diverser Klapperschlangen auf seinem Handy. Dann dreht er sich mit ausgestrecktem linken Arm langsam um die eigene Achse und sagt: «Das alles gehört meinem Volk.» Er meint nicht nur
Monument Valley, sondern die gesamte Navajo Nation Reservation. Das Indianerreservat ist ungefähr so groß wie Bayern.
Hinweisschilder am Straßenrand informieren Touristen auf Rundreise darüber, dass sie sich in einem Reservat befinden. Gut 300 Indian Reservations gibt es zwischen Kalifornien und Florida. Sie sind natürlich nicht umzäunt. Alle Native Americans, Nachfahren der Ureinwohner, haben einen US-Pass. Sie sprechen selbstverständlich Englisch und können leben, wo sie wollen. Längst nicht alle der knapp 350 000
Navajo, die sich Diné nennen, leben im Reservat, erklärt Harry Nez.
Die Fahrzeuge der Touristen wirbeln an diesem Morgen in Monument Valley mächtig Staub auf. Auf der gekennzeichneten Hauptstrecke dürfen sie ohne Führer zwischen Felswänden und -zacken durch die Halbwüste kurven. Der Parkeintritt mit einem Auto und bis zu vier Personen kostet 20 US-Dollar. Das beliebteste Fotomotiv: West Mitten Butte, East Mitten Butte und Merrick Butte. Im 90-Grad-Winkel erheben sich die drei Tafelberge spektakulär aus dem Sand.
Harry Nez nimmt für die gut dreistündige Tour im Geländewagen auf teils versteckten Wegen 90 Dollar. Nicht ganz günstig, aber dennoch ein unvergleichliches Erlebnis. An einer Stelle bittet der Navajo darum, sich neben ihn auf eine Steinplatte zu legen. Blick nach oben in Richtung Felsgewölbe, das aussieht wie ein Adlerkopf. Durch ein kleines Loch strahlt es himmelblau – das Auge des Adlers.
Zwei Kilometer weiter grasen Schafe vor einer steilen Felswand. Zwischen Büschen stehen ein paar flache, schlichte Häuser aus Holz und Stein. Ein paar hundert Indianer leben in Monument Valley. In einem sogenannten Hogan empfängt eine Navajo-Frau in einem langen roten Kleid mit ihrem 18 Monate alten Sohn Lonni im Schoß die Gäste. Der Kuppelbau ist fensterlos, errichtet aus Baumstämmen und Lehm, mit Sandboden, Eingang in Richtung Sonnenaufgang. Die wenigsten der Navajo leben noch in solchen traditionellen Häusern.
Eula, Ende 20, sitzt zwischen Gemälden, Fotos, Wandteppichen, Pfeilspitzen und Schmuckstücken, die auch zu kaufen sind. «Der Tourismus hilft uns. Etliche Besucher sind einfühlsam, wissen, was unseren Vorfahren angetan wurde», sagt die junge Frau.
Monument Valley ist ein Höhepunkt auf einer Reise durch den Westen der USA. Knapp 650 Kilometer sind es von hier nach Las Vegas, in die Glitzermetropole in
Nevada, wo die Reise begann. Das war vor 13 Tagen. Der Besuch bei sechs Indianervölkern steht im Programm.
Wer von Las Vegas aus aufbricht, für den wird es schon nach knapp einer Stunde aufregend: Die Straße schlängelt sich an Colorado River und Black Canyon entlang und überquert den Hoover Dam. Unten glitzert der große Stausee in der Sonne. Weiter durch
Arizona, auf dem Highway durch die Steppe bis zur legendären Route 66. Das Städtchen Kingman lässt die alten Hippie-, Biker- und Truckerzeiten mit Boutiquen, Souvenirshops und Cafés aufleben. Überall prangt die «66».
Doch wegen neuer Autobahnen ist die alte Route vielerorts verwaist. Auch Peach Springs hatte schon lebhaftere Zeiten. Es ist der Hauptort des kleinen Stammes der
Hualapai. Knapp 2000 Ureinwohner leben zwischen Grasland, Wäldern und Grand Canyon. «Wir zahlen keine Pacht oder Miete auf unserem Land», sagt Lyndee Hornell. Sie arbeitet im touristenfreundlichen Kulturdepartment des Stammes.
Die nahe, aber längst geschlossene Tankstelle erinnert an glorreiche Route-66-Zeiten. Vor dem Walapai Market trinken junge Leute Cola und Kaffee. Alkohol wird in den meisten Reservaten nicht verkauft, auch nicht in der nahen «Hualapai Lodge». Die gehört ebenso dem Stamm wie der Grand Canyon Skywalk, eine große Touristenattraktion mit gläserner Plattform und spektakulärem Blick in den Abgrund.
Weiter im Osten, in Flagstaff, füllen auch die Native Americans kistenweise Bier und Whiskey in den Kofferraum. Getrunken wird in den eigenen vier Wänden. Vielerorts sind Arbeitslosigkeit, auch Drogen- und Alkoholsucht verbreitet. Nach langer brutaler Verfolgung erhielten die Indianer Landrechte, Autonomie, begehrte Lizenzen für Kasinos und das Recht auf eigene Polizei und Justiz. Doch wenn eine Pipeline durch heiliges Stammesgebiet geplant ist, steht das Bundesrecht über dem der Reservate. Diese bittere Erfahrung haben schon etliche Stämme gemacht.
Arizona hat viel Brachland, einsame Landstraßen, Steppe, Weiden und Farmen, die Gebiete der Ureinwohner eingeschlossen. Die Bauweise auf dem Land ist meist schlicht. Zwischen Flagstaff und der Navajo-Gemeinde Tuba City endlich ein architektonisches Highlight: Wupatki und weitere historische Ruinen. Aus flachen Sandsteinblöcken haben hier im 12. und 13. Jahrhundert Anazasi und Sinagua sogar mehrstöckige Häuser und heiligen Stätten gebaut. Ein gelbgrüner Halsbandleguan huscht über eine historische Treppe. Heute noch ragen Mauern und hohe Fassaden aus der kargen Landschaft und erinnern an die Baukunst dieser inzwischen verschwundenen Völker.
Danach folgt der Stopp bei den Diné und Harry Nez. Eine Imbissbude wirbt in großen Lettern für «Navajo Burger». Im nahen Tumba im Westen des Reservats klärt eine interaktives Museum spielerisch über die Geschichte der Navajo auf. Weiter geht die Fahrt über wenig befahrene Straßen in Richtung Osten – zu den
Hopi.
Die drei Mesa (Tafelberge) überragen das kleine Reservat, das komplett von Navajo-Land umschlossen wird. Ein paar Häuser sind noch im traditionellen Pueblo-Stil mit zwei, drei Stockwerken gebaut. «Wir sind ein kleines Volk der großen Künstler», sagt Marilyn Fredericks in der Galerie Hopi Fine Arts ihrer Schwester Evelyn. Ihre Familie beherrscht noch die traditionelle Sprache der Hopi. Marilyn zeichnet schlichte Eleganz aus. Sie hat lange graue Haare mit schwarzem Band und trägt ein beiges Kleid.
Marilyn zeigt Skulpturen und traditionellen Hopi-Schmuck. Und sie hat noch einen wertvollen Tipp: «Heute findet ein spirituelles Fest in Kykotsmovi statt. Bitte davon keinesfalls Fotos machen! Später die Menschen ansprechen und höflich fragen!» Gesagt, getan, Glück gehabt. Wer problemlos prächtige Fotos will, die mit Wigwam, Federschmuck, Tänzen und Friedenspfeife an Geschichte und Klischees erinnern, der besucht eines der vielen farbenprächtigen
Pow-Wow-Feste.
Gallup in New Mexico wirbt schon lange erfolgreich um Touristen. Die freuen sich über die kleine Altstadt, indianische Wandmalereien sowie viele Restaurants, Hotels und Shops mit Kunsthandwerk der Ureinwohner. Das Kasino ist ein Schmelztiegel: Man sieht Indianer, Weiße, Schwarze, Latinos und ausländische Touristen. Eine besondere Attraktion: Jeden Sommerabend tanzen Indianer verschiedener Stämme gemeinsam auf dem Courthouse Square für Touristen.
«Hier sind heute Navajo,
Zuni und
Acoma», erklärt Britanny Garcia, eine Acoma und wirbt um einen Besuch: «Wir sind ein kleiner Stamm in New Mexico, keine zwei Autostunden von Gallup entfernt.» Die Acoma bieten volles Kontrastprogramm: ein Kasino an der Autobahn und ein paar Kilometer entfernt ein traditionelles Pueblo-Dorf mit Museum und Kunstwerkstätten. Zugang nur mit Eintritt (23 Dollar) und Führer.
Das kleine Reservat der Zuni, ein Volk der Schmuckmacher, Flechter und Maler, liegt eine Autostunde südlich von Gallup. Im Ort Zuni Pueblo zeugen große Gemälde in kräftigen Farben auf Wänden und Mauern von Göttern, Helden, Tieren und Riten.
Szenenwechsel: Am Rand des
Canyon de Chelly zwischen Gallup im Süden und Monument Valley weiter nördlich spähen Touristen nach unten: Dunkelrote Felsen erheben sich als mächtige Quader und fantasievolle Gebilde aus sattgrünem Talboden. Einer der Stars ist Spider Rock, zwei bis zu 240 Meter hohe Felsnadeln. Seit etwa 5000 Jahren sollen die Schlucht und ihre Ausläufer besiedelt sein. Heute noch leben Navajo teils in Felswohnungen und alten Farmhäuschen und bestellen ihre Felder wie die Vorfahren.
Auf dem Highway 15 geht es von Norden kommend zurück nach Las Vegas. Statt rot glühender Sandsteinfelsen leuchten hier die bunten Neonreklamen. In der Show- und Glückspielstadt warten wieder die Vergnügungen, die sich in jedem Reiseführer finden lassen.
Rundreise auf den Spuren der Indianer
Anreise und Route: Ausgangspunkte und Ziel der Reise im Westen der USA ist Las Vegas in Nevada. Flüge ab Deutschland gibt es mit einem Zwischenstopp etwa an der US-Ostküste. Stationen mit dem Mietwagen: Hoover Dam, Route 66 mit der Hualapai-Kommune in Peach Springs, Dörfer und Galerien der Hopi, die Navajo-Highlights Wupatki, Canyon de Chelly und Monument Valley, Gallup mit Ausflügen zu Zuni und Acoma. Vom Monument Valley über Grand Canyon nach Las Vegas zurück.
Reisezeit: Am besten von Frühjahr bis Herbst. Im Winter droht Schnee und Eis auf gebirgigen Straßen.
Einreise: Deutsche Urlauber brauchen kein Visum, müssen sich unter https://esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis (Esta) besorgen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre lang.
Praktische Tipps: Den Mietwagen in Deutschland reservieren, ein Zimmer nahe Monument Valley früh buchen und das in Las Vegas besser zwischen Montag und Donnerstag. Die gesamte Route (gut 2500 Kilometer) kann gemütlich in 14 Tagen absolviert werden. Wer mehr Indianerstämme sehen will, fährt auch in den Süden von Arizona mit den Apachen und anderen Stämmen sowie in die Metropole Phoenix.
Informationen: Arizona Office of Tourism c/o Kaus Media Services, Luisenstr. 4, 30159 Hannover, Tel.: 0511/899890-0, E-Mail: info@kaus.net.
(dpa/tmn)