Wellington – Neuseelands Tourismusindustrie boomt wie nie zuvor. Das Land auf der anderen Seite der Erdkugel lockt mit goldenen Stränden, eisblauen Gletschern, blubbernden Vulkanen und klaren Gebirgsseen.
Die Natur scheint unberührt, das Klima ist gemäßigt, und die Einwohner sind freundlich. Kurzum: ein Traumziel. Im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der
internationalen Urlauber um zwölf Prozent auf 3,5 Millionen. Mit fast 100 000 Gästen stellt Deutschland die sechstgrößte Besuchergruppe – und das, obwohl die Anreise nicht unter 27 Flugstunden zu machen ist.
Der Erfolg hat aber auch Schattenseiten: Wandervereine klagen über überfüllte Wanderwege und Berghütten. Anwohner sind es leid, dass Touristen Wiesen und Wälder als Toiletten missbrauchen. In einer Umfrage klagte fast jeder fünfte Neuseeländer darüber, dass sein Land zu viele Gäste anzieht. Die Klagen: stockender Verkehr und Unfälle, die häufig von Urlaubern verursacht werden.
Viele Touristen kommen zum Wandern nach
Neuseeland. Insbesondere die neun von der Naturschutzbehörde betriebenen Wandertouren namens Great Walks erfreuen sich großer Beliebtheit. «Die Auswirkungen auf die Infrastruktur sind offensichtlich: Straßen, Parkplätze, Campingplätze und beliebte Naturschutzgebiete ächzen unter der schieren Masse von Besuchern», schreibt der Dachverband der rund 80 neuseeländischen Wandervereine, der Federated Mountain Club (FMC). Sogenannte Freedom Camper, die mit ihrem Wohnmobil in Naturschutzgebieten statt auf dem Campingplatz übernachten, sorgen zunehmend für Unmut.
Jamarl Thomson aus Blenheim auf der Südinsel verteidigt das wilde Campen trotzdem. «Freedom Camper sind die Sündenböcke für ein paar wenige, die sich daneben benehmen», meint er. «Es ist legal und eine tolle Kiwi-Tradition.» Mit Kiwis meinen die Neuseeländer nicht etwa die Frucht oder die Vögel, sondern sich selbst. Wenn sich aber bis zu 50 Urlauber um eine einzige Toilette scharen, bleibt Ärger nicht aus.
Viele Neuseeländer fragen sich, warum die Kosten für Müllbeseitigung und Reinigung der Campingplätze zumeist von ihren Steuern gezahlt werden soll. Nach einem Bericht der Unternehmensberatung McKinsey deckt die neuseeländische Naturschutzbehörde nur etwa 5 Prozent der Ausgaben durch Gebühren. Zum Vergleich: Nationalparks in Australien, den USA oder Kanada können etwa 20 Prozent ihrer Kosten durch Besucherabgaben kompensieren. Im Gespräch sind nun eine «Wandermaut» oder Naturschutzsteuer für Touristen. Parkplätze in Nationalparks könnten kostenpflichtig gemacht oder die Wanderwege gar privatisiert werden.
«Die Naturschutzbehörde untersucht derzeit gemeinsam mit der Tourismusindustrie und anderen Beteiligten diese Optionen», bestätigt Tourismusministerin Paula Bennett. «Wir haben noch keine Entscheidungen getroffen. Aber wir erwägen unterschiedliche Gebühren für einheimische und internationale Gäste.»
Wandervereinspräsident Peter Wilson ist gegen eine Maut: «Der freie Zugang zu öffentlichem Land ist ein wichtiger Bestandteil sowohl unserer Gesetzgebung, als auch unserer Kultur.» Stattdessen fordert er mehr Geld für die Naturschutzbehörde. «Um sicherzustellen, dass Kiwis und Touristen eine gute Zeit haben. Und noch wichtiger: damit unsere Natur geschützt wird.»
(dpa/tmn)