Upington – Die Morgensonne sendet feurige Strahlen in die noch nachtkalte Luft. Wir stehen verschlafen vor einem Gebäude am Rand des Kgalagadi-Transfrontier-Nationalparks, im Norden Südafrikas, nahe der Grenze zu Botsuana. Und wir sind nicht allein.
Neugierig hoppeln flauschige Tierchen mit spitzen Gesichtern über den roten Sand auf uns zu – die Erdmännchen sind wach. «Passt auf eure Knöchel auf», warnt Jaco Reichert, Mitarbeiter des Reservats, in dem wir heute in die Welt der quirligen Mangusten eingeführt werden.
Toto, ein besonders moppeliger Vertreter seiner Art, lässt seine Morgenlaune gerne an den nackten Beinen unvorsichtiger Besucher aus. Die anderen Erdmännchen richten sich auf die Hinterbeine auf und strecken ihren Bauch der aufgehenden Sonne entgegen. «Das ist ihr Morgenkaffee», sagt Reichert schmunzelnd. Er arbeitet für das Schutzzentrum Kalahari Trails, das verwaiste oder aus Gefangenschaft stammende Erdmännchen aufnimmt.
Das Nordkap ist Südafrikas größte Provinz, und ganz an ihrem äußersten Zipfel liegt ein schmaler Streifen Land, eingeklemmt zwischen Botsuana und Namibia. Hier beginnt die wüstenähnliche Sandlandschaft der Kalahari mit dem länderübergreifenden
Kgalagadi Transfrontier Park. Dort können sich die einheimischen Tiere auf einer Fläche größer als Wales frei bewegen – kein Zaun hindert Leoparden, Gnus und Schakale am Überqueren der Ländergrenzen.
Etwa 250 Kilometer weiter südlich frisst sich der Orange River auf seinem Weg nach Namibia in den felsigen Boden. Die Sanddünen weichen hier beeindruckenden Felslandschaften, Schluchten und Stromschnellen begleiten den Lauf des mächtigen Flusses. Und dank des Wassers liegt hier fernab der Küste eines der ertragreichsten Weingebiete des Landes. Kilometerweit erstrecken sich die Traubenhaine, Weingüter und Brandydestillen laden zu Verkostungen ein. Auf Wildnis muss man trotzdem nicht verzichten: Im
Augrabies Falls Nationalpark an der namibischen Grenze leben Giraffen, Paviane und Leoparden direkt neben den donnernden Wassermassen des Augrabies-Wasserfalls.
Die Kalahari ist dagegen karg und trocken. Täler und Hügel leuchten in Erdtönen von ausgewaschenem, fast weißen Sand in den Tälern bis hin zu leuchtendem Rot auf den Dünen. Die Vegetation ist geprägt von stacheligen Kameldornbäumen und trockenem Dünengras. Salzpfannen liegen ausgetrocknet dort, wo ehemalige Seen unter der sengenden Sonne verdampft sind. Der Salzabbau aus diesen Pfannen ist neben dem Tourismus einer der großen Wirtschaftszweige in der Region.
Um hier zu überleben, braucht es besondere Eigenschaften: Die Wurzeln der heimischen Akazienarten reichen bis zu 100 Meter tief in den sandigen Boden. Die massigen Oryxantilopen halten dank eines Kühlsystems in ihrer Nase Körpertemperaturen von bis zu 46 Grad aus. Und sie kennen besondere Wasservorräte: Die nach den Tieren benannten Oryx-Wurzeln haben einen hohen Wasseranteil. Sie schmecken zwar abartig bitter, bewahren aber vor dem Austrocknen.
Am westlichen Rand des Parks liegt hinter Dünen versteckt die «!Xaus»-Lodge. Das Ausrufezeichen steht für den Klicklaut in der Nama-Sprache, der durch Zungenschnalzen gebildet wird. Etwa zwölf Holzhütten stehen hier, verbunden durch Stege.
«Scheinwerfer runter!», ordnet unsere Führerin Melissa auf einer der nächtlichen Safaris an. Denn die Autos haben ein paar Strauße aufgeschreckt. Blicken diese direkt ins Licht, sind sie für Minuten geblendet und leichte Beute, erklärt Melissa. Sie gehört zu den Mier, einer Ethnie, die neben den Khomani San zu den ursprünglichen Einwohnern der Kalahari gehört. Die junge Frau wuchs auf einer Farm im nahe gelegenen Rietfontein auf, bevor sie in der Küche der Lodge anfing und schließlich Führerin wurde. Gemeinsam mit Andries, einem San, gibt sie ihre Kenntnisse über die Kalahari weiter.
Heute sind das Wissen und die Jagdtechniken der San und Mier hauptsächlich Folklore. In den 60er Jahren wurden die Völker aus der Kalahari vertrieben und ihrer traditionellen Lebensweise beraubt. Anfang der 2000er Jahre verhalf eine Klage den verbliebenen Gemeinden zur Rückgabe von 50 000 Hektar Land. Doch die Zeit der Sammler und Jäger war unwiederbringlich vorbei. Als zusätzliche Einkommensquelle wurde daher auf ihrem Gebiet eine Lodge errichtet, deren Erlös teilweise den beiden Gemeinden zukommt.
Die Unterkunft betreibt ein tourismuserfahrenes Konsortium. Die meisten Angestellten stammen aber aus den San- und Mier-Gemeinden. «Wir helfen, ihr Leben zu verbessern», meint Richard Ilett, der Leiter der Lodge. Nur mit der Mentalität der San hat er hin und wieder seine Probleme: «Sie wollen das Leben genießen und chillen», sagt er. Zeit spiele für sie eine andere Rolle, als seine Verträge und Arbeitszeitvorgaben es vorsehen.
Die Dürreperiode in der Kalahari hält schon seit fast vier Jahren an. Um die wenigen Wasserlöcher drängen sich deshalb die Tiere. Es gilt das Recht des Stärkeren. Der schwarzmähnige Kalahari-Löwe hat uneingeschränktes Trinkrecht. Stellt eine der Oryxantilopen mit ihren spießförmigen Hörnern im Gedränge die Rangordnung innerhalb der Herde infrage, kommt es trotz brütender Hitze zu Kämpfen – ein Staub aufwirbelndes Kräftemessen im Dunst des ewigen Sandes.
Südafrika und die Nordkap-Provinz
Reisezeit: Die beste Reisezeit ist März bis Mai und August/September. Doch die heißen südafrikanischen Sommermonate sind die beste Zeit für Raubtierbeobachtungen, die Tiere kommen oft zu den Wasserlöchern.
Einreise: Ein Touristenvisum wird bei Vorlage eines gültigen Reisepasses erteilt, der mindestens 30 Tage über das Ausreisedatum hinaus gültig ist und zwei freie Seiten enthält.
Anreise: Direktflüge von South African Airways und Lufthansa ab Frankfurt am Main oder München nach Johannesburg, danach per Inlandsflug nach Upington. Von dort sind es etwa 250 Kilometer bis zum Kgalagadi Transfrontier Park.
Übernachtung: Zeltplätze ab etwa 280 Rand (18 Euro), Chalets und Cottages innerhalb der Parks für 1000 bis 2000 Rand (65 bis 135 Euro), außerhalb auch günstiger.
Ansprechpartner:South African Tourism, Friedensstraße 6-10, 60311 Frankfurt (Tel.: 069 92912950, E-Mail: info.de@southafrica.net).
(dpa/tmn)