Spätsommer auf Fanø: Stricken und Bernstein suchen

Nordby – Bodil, Heidi und Birgit habe sich an diesem Mittag ein gemütliches Plätzchen in der Sonne gesucht, ihre Kaffeebecher sind fast leer. Heidi breitet einen dunkelgrauen Pullover mit einem kompliziert aussehenden Zopfmuster auf dem Tisch aus.

Birgit hat eben eine Unmenge von Maschen auf eine Rundstricknadel aufgenommen. Die Nadeln in Bodils Hand klappern leise vor sich hin. Die drei Frauen haben den Vormittag auf dem Strikkefestival auf der dänischen Nordseeinsel Fanø verbracht, Vorträgen zugehört und Workshops besucht – nun wird es Zeit, selbst wieder kreativ zu werden.

Viele Frauen haben einen Strickstrumpf in der Tasche – oder sie probieren ein paar Reihen mit der neuen Wolle aus, die sie an einem der Stände in dem großen Zelt gekauft haben: Feines Kaschmirgarn für ganz dünne Nadeln gibt es hier ebenso wie die kratzige dicke Wolle aus Island oder von den Shetland-Inseln.

Im Jahr 2005 nahm alles seinen Anfang – als kleines Treffen für Strickbegeisterte auf
Fanø. Doch dann hat das Fest ein Eigenleben entwickelt, 2014 zählte man mehr als 10 000 Besucherinnen. Männer sind hier von jeher nur Beiwerk. Christel Seyfarth ist die Organisatorin des Festivals und hat in Nordby ein Geschäft, in dem sie Wollenes verkauft. Am liebsten große Stücke. «Das Kleine ist nicht so mein Fall», sagt sie. Lieber strickt sie Pullis, Jacken, Ponchos oder Tücher. «Immer mit Muster und immer mit der Hand.»

Auch Ann Højgaard Slot benutzt die Strickmaschine nur im Ausnahmefall. Die Frau mit den markanten schwarzen Haaren kommt von den Färöerinseln und hält einen Workshop übers das Stricken in ihrer Heimat. «Bei uns stricken alle», sagt die Frau. Sechs oder sieben Jahre war sie alt, als sie ihren ersten Pullover vollendete. «Ich habe nie aufgehört zu stricken.» Heute ist Stricken in.

Ebenso wie Männer sind auch Anfängerinnen Fehlanzeige beim Strikkefestival. «Ich muss regelmäßig die Anfängerkurse streichen», sagt Christel. Die Frauen, die kommen, wollen neue Tricks und Kniffe lernen oder wissen, wie man selbst ein Design macht. «Aber stricken lernen will keine von ihnen, sie sind alle Profis.» Das gilt auch für den Workshop von Ann Højgaard Slot.

Auch auf Fanø kann man im
Strickfestival-Monat September einen dicken Pulli gut gebrauchen. Denn der Wind weht kräftig von der Nordsee. Der September ist auf der kleinen Insel im Süden Dänemarks ein besonderer Monat: Die Austern-Saison beginnt. Man schaut nach den Gezeiten, geht bei Niedrigwasser ins Watt und sucht so viele Austern, wie man kann. Oder man geht mit einer geführten Tour. Eine gute Ausbeute können nach einem ordentlichen Sturm auch die Strandspaziergänger machen, die nach Bernstein suchen. Der wird häufig an den breiten Stränden angeschwemmt. Oder man geht Kite-Surfen.

Das alles sind hervorragende Beschäftigungen für die weniger strickbegeisterten Partner der Handarbeiterinnen, die in Nordby mit den Nadeln klappern. «Die Insel ist zwar klein, aber sie hat für jeden etwas zu bieten», sagt Christel Seyfarth. Sie ist auf Fanø geboren und bis heute hier. Daran wird sich auch nichts ändern.

Fanø
Reiseziel: Fanø ist die nördlichste der dänischen Wattenmeerinseln. Sie liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Sylt. Von der Nord- bis zur Südspitze ist die Insel nur knapp 15 Kilometer lang, 3000 Menschen leben dort. Die größten Orte sind Nordby und Sønderho.

Anreise: Von Hamburg aus fährt man in etwa vier Stunden mit dem Zug oder dreieinhalb Stunden mit dem Auto nach Esbjerg. Der nächste Flughafen auf dänischer Seite ist Billund, den die Lufthansa von Frankfurt aus viermal am Tag anfliegt. Von Esbjerg setzt eine Autofähre nach Nordby auf Fanø über.

Übernachtung: Es gibt ein paar kleine Hotels und Pensionen auf Fanø. Der überwiegende Teil der Gäste mietet allerdings ein Ferienhaus – von denen gibt es ganze Siedlungen auf der Insel.

Informationen: Visit Denmark, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg (Tel.: 01805/32 64 63, www.visitdenmark.de).


(dpa/tmn)

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